„Ein Zeichen des Erfolgs“

Das Ruhrgebiet muss der starken Förderung der Vergangenheit nicht nachtrauern, sagt Barbara Gessler von der EU

BARBARA GESSLER, geboren 1964 im belgischen Gent, leitet seit 2004 die regionale Vertretung der Europäischen Kommission in Bonn

taz: Frau Gessler, NRW-Ministerpräsident Rüttgers beklagt die jahrelange Bevorzugung des Ruhrgebiets bei der EU-Regionalförderung. Zu Recht?

Barbara Gessler: Es gab nie eine politische Entscheidung der Europäischen Union, das Ruhrgebiet zu bevorzugen. Es waren die objektiven Kriterien unserer Förderkulisse, die dazu geführt haben, dass viel Geld in das Revier geflossen ist – aufgrund der historischen Entscheidung, Regionen zu helfen, die unter dem Niedergang alter Industrien und dem Strukturwandel gelitten hatten. Das ist kein Privileg: Eigentlich muss man sagen, dass das Ruhrgebiet leider mit diesen Problemen zu kämpfen hatte.

Die Nachbarregionen blicken trotzdem neidisch auf die Förderung des Reviers.

In Anbetracht der hohen Arbeitslosigkeit in anderen Regionen kann ich das verstehen. Es ist ein bisschen wie der Blick nach Ostdeutschland: Im Ruhrgebiet wird auch darauf verwiesen, dass die Bürgersteige hier genauso kaputt sind wie dort.

Will Rüttgers mehr Wettbewerb oder de facto weniger Geld für das Ruhrgebiet?

Derzeit erarbeiten wir ja gemeinsam mit der Landesregierung auf Grundlage ihrer Vorschläge, was bis zum Jahr 2013 gefördert werden soll. Die Landesregierung setzt dabei sehr stark auf Innovation, Mittelstandsförderung, aber auch auf nachhaltige Stadtentwicklung. Eigentlich sind das alles Bereiche, in denen ich auch weiterhin sehr gute Chancen für das Ruhrgebiet sehe. Es gibt keinen Grund, warum das Ruhrgebiet den neuen Wettbewerb nicht annehmen sollte.

Hängen die SPD und die alten Ruhrgebiets-Eliten einer Verschwörungstheorie an?

Das will ich nicht qualifizieren. Selbstverständlich setzt eine neue Landesregierung neue Schwerpunkte. Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Macht es die Arbeit schwieriger, dass die Entscheidung über die Vergabe der Förderung derzeit so stark politisch aufgeladen wird?

Nein. Meine Kollegen in Brüssel können durchaus differenzieren zwischen politischen Meinungen und objektiven Förderkriterien. Wir entscheiden nicht nach Gutdünken darüber, wofür es Geld gibt – dafür gibt es die nach hartem Ringen verabredeten Kriterien.

Das Ruhrgebiet sieht sich häufig noch in der Opferrolle. Brauchen die Politiker dort einen Mentalitätswandel?

Das weiß ich nicht. Ich weiß nur, dass vieles, was dort mit EU-Geld umgesetzt worden ist, in die Zukunft gerichtet ist. Wenn ich an viele Dienstleistungsprojekte oder allein an die Kulturhauptstadt 2010 denke, gibt es keinen Grund, pessimistisch zu sein. Eigentlich sollte man sich freuen, dass man schon viel Erfolg gehabt hat. Aber natürlich ist es schwer zu begreifen, dass auch weniger Fördermittel fließen, eben weil man erfolgreich war. Dieses Problem gibt es überall – nicht nur im Ruhrgebiet. INTERVIEW: KLAUS JANSEN