: Die Grünen wollen Integration neu denken
Bundestagsfraktion fordert Gesamtkonzept für die Eingliederung von Migranten in die deutsche Gesellschaft
FRANKFURT taz ■ Neun Monate tingelten Abgeordnete der grünen Bundestagsfraktion durch die Republik. Sie besuchten über 60 Integrationsprojekte in 21 Städten und Gemeinden. Gestern stellte Fraktionsvorsitzende Renate Künast im Frankfurter Rathaus die Ergebnisse vor: Die Integrationspolitik der großen Koalition sei „lebens- und realitätsfremd“. Es werde immer nur „defizitorientiert“ diskutiert und gehandelt und nicht gesehen, dass es viele funktionierende Initiativen gebe.
Aber auch der im Mai 2006 vorgelegte grüne „Integrationsvertrag“ zwischen bundesrepublikanischer Gesellschaft und Migranten müsse nach praktischer Anschauung „ein bisschen nachgebessert“ werden. Vor allem fehle es an der Vernetzung mit den örtlichen und übergeordneten Behörden – und am Zugang zum Arbeitsmarkt. Es sei wichtig, ein Gesamtkonzept zu entwickeln. Förderprogramme müssten nach Bildung und Herkunftsländern differenziert werden.
Der Bundestagsabgeordnete Omid Nouripur nannte „zwei Grundprobleme“ der Initiativen: Die meisten seien „zufällig“ und privat entstanden und hätten diesen Charakter bis heute beibehalten. Und überall fehlt Geld. Er habe gelernt, dass das Bild „vom ausländischen Macho, der die Frauen unterdrückt“ und „auf der Straße auffällig wird“ relativiert werden müsse. Neben der Hilfestellung für Frauen und Mädchen müsse „das Geschlechterverhältnis insgesamt“ in die Förderung einbezogen werden: „Wir haben uns zu wenig um die Jungs gekümmert.“
Der migrationspolitische Sprecher der Fraktion, Josef Winkler, machte ein Defizit bei der Zusammenarbeit von Bund, Ländern und Kommunen aus. Außerdem habe er eine ganz neue, bundesrepublikanische „Parallelgesellschaft in ethnischer Uniformität“ entdeckt. In Behörden, Ämtern, bei der Polizei fehle es an Kenntnis über und an Beteiligung von Migranten und Migrantinnen.
Die wichtigsten Säulen der Integrationspolitik seien nicht nur Sprache und Ausbildung, sondern auch freier Zugang zum Arbeitsmarkt und politische Partizipation, fasste Künast zusammen. Zudem müsse der Islam als offizielle Religionsgemeinschaft anerkannt werden – mit allen Rechten und Pflichten. HEIDE PLATEN