: Bremen endlich herrschaftsfrei
Im Wirtschaftsförderausschuss blockieren sich die Koalitionspartner gegenseitig: Finanzsenator Ulrich Nußbaum stoppt Kulturmittel, die Christdemokraten stimmen gegen Stadtteilprojekte
von Benno Schirrmeister
Nach der Sitzung gab es Schuldzuweisungen: Erst bezichtigten sich die Koalitionsfraktionen gegenseitig, notwendige Beschlüsse torpediert zu haben. Dann bekamen sich der Kultur und Wirtschafts- und der Finanzsenator in die Haare. Beide hielten an ihrer jeweiligen Darstellung der Vorgänge fest – die logisch nicht vereinbar ist. Was im Klartext heißt: Entweder lügt Haushalts-Chef Ulrich Nußbaum (parteilos). Oder aber Karsten Kastendiek (CDU): So lassen sich die direkten Folgen der gestrigen Sitzung des Wirtschaftsförderausschusses zusammenfasssen. „Die sind nicht mehr regierungsfähig“, ätzte Klaus Möhle (Grüne). Richtig freuen könne er sich darüber allerdings nicht: „Für Bremen“, so Möhle, „ist das natürlich verheerend.“
Grund: Zuerst hatte das Gremium beschlossen, aus dem mit 6,4 Millionen Euro überbuchten Anschlussinvestitionsprogramm weitere 24 Millionen Euro für Luftfahrtförderung, Windenergie-Programme und andere Projekte bereitzustellen. Dann sollte es nach Empfehlung der Fachdeputation 2,5 Millionen Euro für Kulturprojekte bewilligen – aus demselben leeren Topf. Eine Beschlussvorlage, die das Haus des Reichs jedoch wegen verfassungsrechtlicher Bedenken mit einer eigenen konterte, nach der 796.000 Euro für ausgewählte Projekte sofort freigegeben werden könnten.
Der Rest erfordere Einzelfall-Entscheidungen des Finanzressorts. Kastendiek schäumte und widersprach der Behauptung seines Kabinettskollegen, der die Vorlage als „geeinten Kompromissvorschlag“, bezeichnete, den die Staatsräte „in mehrstündigen Gesprächen ausgehandelt“ hätten. Anschließend verweigerten die CDU-Abgeordneten die Zustimmung zur Vergabe der so genannten „Impulsgelder“, mit denen Stadtteilprojekte finanziert werden. „Fachlich“, kommentierte Möhle, „war das wenigstens nicht mehr motiviert“. SPD-Finanzpolitikerin Cornelia Wiedemeyer behauptete gar, die CDU habe die Impulsgelder „in Geiselhaft genommen“.
Die Folgen für Stadtteilarbeit und Kulturszene sind nicht abzusehen: 300.000 Euro wären allein fürs Überseemuseum fällig gewesen, das damit die Deckungslücke der jüngsten Sonderausstellung schließen muss (taz berichtete). Komplett auf Projektmittel angewiesen ist auch die Freie Kulturszene: Die Handlungsunfähigkeit der Großkoalitionäre sei „mehr als traurig“, so Carsten Werner von der Schwankhalle. Man müsse darauf vertrauen, „dass erwachsene Menschen Verfahren finden, gemeinsam gewollte Projekte umzusetzen, statt sie lahmzulegen“. Der Reifegrad der Akteure ist indes ohne weiteres nicht vorauszusetzen – das Verhältnis zwischen Kastendiek und Nußbaum gilt als wenig innig. „Männerfreunde“, so Möhle, „werden die jedenfalls nicht mehr.“