: Tatort: Paderborn
In Paderborn sind Kirchen allgegenwärtig. Ottmar Hörl und elf weitere Künstler befassen sich für das Projekt „Irdische Macht und Himmlische Mächte“ mit dem Spannungsfeld zwischen Kirche und Staat
VON STEPHANIE KASSING
Autobahnkirchen sind selten. Meist werden sie nur als Piktogramme auf Hinweisschildern wahrgenommen. Die einfachen Zeichen werden aber in Paderborn zu einem begehbaren, dreidimensionalen Objekt. 14 Meter hoch wird der pechschwarze Kirchturm des Künstlers Ottmar Hörl (57) für die Ausstellung „Tatort Paderborn – Irdische Macht und Himmlische Mächte“ werden. So schafft er sich einen „Ort der Erleuchtung“.
Wie ein Fremdkörper wird Hörls Piktogramm-Kirche zwischen dem Renaissance-Rathaus, den Fachwerk-Bürgerhäusern und der barocken Domfassade wirken. Nur durch einen schmalen Lichtkegel im Bereich des Turms beleuchtet, soll die Konstruktion ein ideologiefreier Raum sein, eine renitente Konzeption zu dem eingefahrenen Bild der „Kirche“ darstellen. „Ein einfacher Ort der Besinnung braucht keine vorgefasste Doktrin, das kann jeder mit sich selbst ausmachen“, sagt Hörl.
Paderborn, das bislang eher durch kulturhistorische Ausstellungen wie „Canossa 1077 – Erschütterung der Welt“ oder „799 - Kunst und Kultur der Karolinerzeit“ auf sich aufmerksam machte, sucht für sein aktuelles Kunstprojekt das Spannungsverhältnis zwischen Kirche und Staat. Neben dem Bildhauer und Konzeptkünstler aus Frankfurt begaben sich elf weitere internationale Künstler und Künstlerinnen auf die Suche nach den Spuren geistlicher und weltlicher Autorität. Durch Licht-, Klang- und Video-Installationen, aber auch klassische Malerei und Zeichnung wollen die Künstler Strukturen profaner und sakraler Macht präsent werden lassen und in ihrer ambivalenten Ausprägung aufzeigen. „Paderborn ist im 21. Jahrhundert angekommen“, sagt Kuratorin Ingrid Raschke-Stuwe. Die Ausstellung mache neben dem traditionellen, auch das moderne Gesicht der Stadt sichtbar.
Die partizipativen Kunstobjekte werden sich alle im öffentlichen Raum befinden. Neben dem Gebiet um die Paderquellen oder dem Busbahnhof werden auch Kirchen-Innenräume Tatorte der Ausstellung sein, wie die der katholischen Bartholomäuskapelle und der evangelischen Abdinghofkirche. „Bei meiner ersten Ortsbesichtigung empfand ich die kleine Bartholomäuskapelle als einen Ort, der Energie sammelt und abgibt“, erklärt die Düsseldorfer Künstlerin Eva Maria Joeressen, die sich durch eine Video- und Tonprojektion mit dem Thema der Ausstellung auseinander setzt.
„Tatort Paderborn – Irdische Macht und Himmlische Mächte“ schließt an das ebenfalls im öffentlichen Raum stattfindende Projekt „7 Türme – 7 Lichter“ aus dem Jahr 2004 an. Acht Künstler rückten damals die Paderborner Stadtmauer durch unterschiedliche Installationen in ein neues Licht. „Von den Außengrenzen der Stadt wird nun in den inneren Kern vorgedrungen“, so Raschke-Stuwe.
Den nutzt Ottmar Hörl nicht nur für seine Idee der Autobahnkirche. An unterschiedlichen Stellen der Innenstadt werden „Schutzengel“ nachdenklich auf Bewohner und Besucher Paderborns hinabschauen. Die circa 60 Zentimeter hohe, sitzende Figur sei ein Hinweis darauf, die Hilfe von Schutzengeln nicht herauszufordern, sondern sich selbst zu helfen: „Er ist nur für Notfälle da“, sagt der Künstler. Daher käme auch seine Nachdenklichkeit. „Der Engel sieht, dass die Menschen immer unvernünftiger werden und ihr Handeln immer größere Probleme erzeugt.“ Ein Moralapostel will Hörl aber nicht sein.
17. Mai bis 02. September 2007