: Gutmensch oder Bolzbaron
KONTROVERSE Was ist bloß los mit Maik Franz? Ist er der Fiesling, für den ihn viele halten, oder ein untadeliger Profi, zumindest abseits des Fußballplatzes? Ein Pro und Contra
PRO „Gibt es in Karlsruhe eigentlich eine Kinderkrebsstation?“ Diese für einen Fußballprofi eher ungewöhnliche Frage hat Maik Franz schon bald nach seinem Dienstantritt beim Karlsruher SC vor nunmehr fünf Jahren gestellt. Als Pressesprecher Jörg Bock etwas verdutzt bejahte, stand für Franz gleich fest: „Dann kann es ja wohl nicht sein, dass wir uns nicht ein wenig um diese Kinder kümmern!“ Lange dauerte es danach nicht mehr, bis Franz und ein paar Mannschaftskameraden der Karlsruher Kinderkrebsstation einen Besuch abstatteten, nicht als billiger PR-Gag, sondern nachhaltig: Bis heute haben der KSC und seine Spieler eine höhere fünfstellige Summe für die Wünsche und Belange der Kinder aufgebracht. Maik Franz sei Dank! Auch das sollte wissen, wer nun mal wieder über ihn hetzt.
Zugegeben: Das Foul am Samstag gegen den Bremer Avdic war ebenso unschön wie unnötig, das weiß Franz schon selbst. Und auch zugegeben: Auf dem Platz ist der 29-Jährige definitiv nicht der nette, friedliche und freundliche Kerl, der er daneben ist, sondern unbequem, beinhart, mit allen erlaubten Mitteln kämpfend und manchmal auch ein paar mehr. Maik Franz kann nicht anders als volle Pulle, ganz oder gar nicht. An guten Tagen reißt er damit die ganze Mannschaft mit, an schlechteren überspannt er den Bogen auch mal.
Andererseits: Glaubt hier wirklich jemand, dass die Stürmer, deren sich Franz erwehrt, nicht mit Haken, Ösen und schlimmeren Dingen kämpfen und immer nur die Guten sind? Und glaubt hier wirklich jemand, dass Franz ungestraft die halbe Liga kaputt treten könnte, wo er doch schon seit Längerem unter besonderer Beobachtung der Schiedsrichter steht? Und, wenn wir schon dabei sind: Wo sind denn all die Opfer, die Franz angeblich mit bösartigsten Fouls ins Lazarett getreten haben soll?
Nein! Maik Franz ist nicht der Hannibal Lecter der Fußball-Bundesliga, zu dem er gerade mal wieder kampagnenhaft gemacht wird. Er ist nur einer, der ums Überleben kämpft. Manchmal auf dem Platz mit seinem Verein. Manchmal mit Kindern auf der Krebsstation.
FRANK KETTERER
CONTRA Den Ritterschlag erhielt der gemeine Fußball-Rüpel von einem renommierten Trainer: Ottmar Hitzfeld nannte Mark van Bommel einst einen „Aggressiv-Leader“. Er sprach einem Spieler Führungsqualitäten zu, der gerne „rustikal zulangt“, wie es so schön heißt. Wenn also der FC Bayern, in dessen Diensten van Bommel stand, einzuschlafen drohte, dann grätschte der Holländer einen Gegenspieler ab, schnauzte den am Boden liegenden an, weil der ja eh nur simulierte, und zog, oftmals ohne die Gelbe Karte gesehen zu haben, von dannen. Van Bommels Elf sollte in der Blutgrätsche das Signal zum Angriff erkennen, die brutale Attacke ein ganzes Team „wachrütteln“.
Maik Franz macht es nicht anders. Der Eintracht-Profi steht in der Tradition van Bommels. Da Franzens Testosteronproduktion aber auf Hochtouren läuft, sobald er den Platz betritt, muss man ihn sogar als Superaggressiv-Leader bezeichnen. Eine Spezies, die Hitzfeld in den Adelsstand erhob, hat in Franz ihren aktuellen Bolzbaron gefunden. Auch diesmal gibt es einen Trainer, der es ganz prima findet, wie ein Spieler Gift und Galle auf dem Rasen versprüht. Christoph Daum, der alte Illusionskünstler, hat Franz sogar zum Kapitän gemacht, was man als einen Akt der Verzweiflung verstehen muss. Er setzt nicht die feine Schnitzerei, Daum geht es ums grobe Holzhacken. Ihm scheint im Abstiegskampf nichts anderes einzufallen.
Mit rotem Kopf, geschwollenen Halsadern und einer Miene, die auch Ultimate-Fightern gut zu Gesicht stehen würde, marodiert Franz durch die Liga. Gut, er hinterlässt keine Schneise der Verwüstung, auf der seine Opfer mit Beinbrüchen liegen, aber für eine Jochbeinprellung reicht es allemal. Andere Spieler wie der berüchtigte Andoni Goicoechea hätten viel mehr Gegner schwer verletzt, heißt es. Ja, das ist richtig. Aber wie Franz durch seine Aggressivität und prollige Pöbelei ein komplettes Macht vergiften kann, das ist schon bemerkenswert. „Arschloch“ hat ihn Mario Gomez genannt, Ioannis Amanatidis hat sich 2008 diesem Urteil angeschlossen. Franz ist der böse Bube der Liga. Aber mal ehrlich: Schuld daran ist nicht er selbst, sondern ein Trainer, der stolz auf seinen Aggressiv-Leader ist. MARKUS VÖLKER