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Archiv-Artikel

Mit Nanopartikel direkt in die Krebszelle

Nano2Life-Kongress diskutierte Anwendungen der Nanotechnologie. Kritik an den neuen Technologien wird entschieden zurückgewiesen

Der Schweizer Wissenschaftler und Unternehmer Patrick Boisseau, Koordinator des europäischen Exzellenznetzwerks „Nano2Life“, hat einen Traum. Wie einst von Hollywood erdacht und auf Zelluloid gebannt, sollen demnächst Krebsmedikamente mit einem nur einen Nanometer (10[-9]Meter) kleinen „Unterseeboot“ über die Blutbahnen direkt in eine erkrankte Zelle hinein transportiert werden; natürlich ohne die im Film gleich mit geschrumpfte Besatzung. Bei Chemotherapien könnten so unerwünschte, durch die bisherige breite Streuung von Medikamenten verursachten Nebenwirkungen vermieden werden, so Boisseau. Zukunftsmusik sei das keine mehr. An der Berliner Charité befinde sich ein entsprechendes Verfahren bereits in der klinischen Erprobung.

Nanopartikel können härter sein als Stahl, leichter als Luft und ungefähr 50.000 mal dünner als ein Haar. In der Medizintechnik wird diese Technologie zur Herstellung von neuen Oberflächenbeschichtungen für eine verbesserte Zellhaftung und Biofunktionalität bei Kathetern und Implantaten genutzt. In der medizinischen Diagnostik führen winzigste, nur mit Spezialmikroskopen zu erkennende Biochips rasend schnell komplexe Analysen durch. Und in Lacken schützen sie Autos vor Kratzern und als Legierung Badewannen vor Schmutz.

Nanotechnologie und Nanobiotechnologie (von griech. nanos = Zwerg) seien „Zukunftstechnologien“, sagt der saarländische Wirtschaftsminister Hanspeter Georgi (CDU). Dessen Bundesland ist „NanoValley“. Tatsächlich konzentrieren sich im Saarland auf Nano-Technologien setzende Unternehmen. Und auch die Universität des Saarlandes gehört zum europäischen Exzellenznetzwerk Nano2Life.

Georgi war in dieser Woche denn auch Gastgeber für das Jahrestreffen von Nano2Life. Bis Donnerstag konferierten im Schloss zu Saarbrücken rund 170 Spitzenforscher aus 13 europäischen Ländern und Israel miteinander, die alle dem von der Europäischen Kommission geförderten Netzwerk Nano2Life angehören. Ziel des Projektes sei es, „Expertenwissen in Sachen Nanobiotechnologie zu bündeln und die europäische Industrie in dieser Zukunftstechnologie gegenüber den USA und Asien zu stärken“, betont NanoBioNet-Geschäftsführer Martin Monzel.

NanoBioNet ist ein saarländisch-rheinland-pfälzisches Gemeinschaftsprojekt, zu dem sich Hochschulen, Forschungsinstitute, Unternehmen und Experten aus den Bereichen Technologietransfer- und Patentwesen, Wirtschaft und Finanzierung zusammengeschlossen haben. Das gemeinsame Interesse: „Die Forschung und Entwicklung praktischer Anwendungen der Nano- und der Nanobiotechnologie zur Schaffung marktreifer Produkte und neuer Arbeitsplätze auf dem Weg einer ethisch vertretbaren Technologie“, so Monzel.

Die Kritik an der Nanotechnologie, dass so winzige Partikel auch unkontrolliert den Weg in den menschlichen Körper und auch in Pflanzen finden könnten, wies Boisseau als unbegründet zurück. Die Menschheit lebe schließlich schon lange mit schädlichen unerwünschten Nanopartikeln. Mit Feinstaub etwa, oder mit Ruß. Die Nanopartikel, von denen jetzt die Rede sei und die in der Medizin oder bei der Herstellung von neuen Lebensmittelverpackungen zum Einsatz kämen, schädigten bei ihrem gezielten Einsatz die Gesundheit ganz bestimmt nicht, sondern seien „ein Segen für die Menschheit“.

Im Saarland arbeiten bereits rund 1.000 Menschen vor allem in der Pharmabranche mit den neuen Technologien; in drei Jahren, so Minister Georgi, sollen es schon 3.000 sein. Mit 8,8 Millionen Euro fördert die EU das Exzellenznetzwerk Nano2Life. Allerdings nur noch bis Anfang 2009. Und dann? „Werden wir auf eigenen und auf Sponsorenbeinen stehen“, ist Boisseau überzeugt.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT