: Das ist blanker Hass
MAROKKO Übergriffe von islamistischen Gruppen auf schwarze Einwanderer. Die Polizei sieht weg
MADRID taz | In der nordmarokkanischen Küstenstadt Tanger herrscht Pogromstimmung. Seit Wochen greifen im Stadtteil Boukhalef immer wieder mit Macheten, Knüppeln und Steinen bewaffnete Marokkaner schwarzafrikanische Immigranten an. In der Nacht vom vergangenen Freitag auf Samstag wurde vom Mob der Senegalese Charles Alphonse Ndour getötet, indem ihm mit einem Messer die Halsschlagader durchtrennt wurde. Ein Flüchtling von der Elfenbeinküste, Kante Adama, erlag nach schweren Hieben im Krankenhaus seinen Verletzungen. Mindestens 14 weitere Schwarzafrikaner mussten behandelt werden. Mehrere Wohnungen wurden geplündert und die Habseligkeiten der Flüchtlinge auf der Straße verbrannt. Die Polizei blieb weitgehend untätig.
Anders in den Tagen darauf. Am Samstag löste die Polizei gewaltsam eine Demonstration von Flüchtlingen im Stadtzentrum von Tanger auf. Und am Sonntag wurden nach einer Demonstration in der marokkanischen Hauptstadt Rabat mindestens 35 Flüchtlinge verhaftet. 27 sollen – so Berichte von marokkanischen Menschenrechtlern und Betroffen selbst – umgehend abgeschoben werden. Mittlerweile soll der Chef der Sondereinsatzkommission abgesetzt worden sein.
Die in Boukhalef lebende spanische Migrationsforscherin Helena Maleno wirft den Behörden vor, die Übergriffe zu lange geduldet zu haben, mit dem Ziel, die Stadt Tanger von Schwarzafrikanern zu säubern. Allein in Boukhalef warten über 1.000 Flüchtlinge auf eine Gelegenheit, nach Europa zu kommen.
Die Spanierin Maleno wurde am 15. August selbst Ziel von Aggressionen. Als „spanische Hure“ beschimpfte sie ein schwerbewaffneter Mob, grapschte sie an und schubste sie herum. „Die Immigranten halfen mir“, berichtete sie. „Sie riefen ‚Scheiß Christen‘ und ließen den ‚heiligen Krieg‘ hochleben“, erinnert sich die Frau an die Angreifer. „Es sind keine spontanen Aktionen“, sagt Maleno. Es handle sich um ultraislamistische Gruppen.
Nach einem Legalisierungsangebot der Regierung in Rabat meldeten sich jüngst 16.000 Flüchtlinge. 3.000 wurde eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt. In der ersten Augusthälfte gelangten in nur 48 Stunden 1.300 Flüchtlinge mit Booten an Spaniens Küste. REINER WANDLER