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Archiv-Artikel

Noch keine Waffenruhe im Donbass in Sicht

UKRAINE Kämpfe zwischen prorussischen Kämpfern und Truppen der Regierung gehen weiter. Russischer Journalist getötet

VON LJUBA NAMINOVA

KIEW/BERLIN taz | „Waffenruhe und Putin passen so wenig zusammen wie Demokratie und der abgesetzte ukrainische Präsident Wiktor Janukowitsch“, schrieb die ukrainische Zivilaktivistin Swetlana Salischtschuk am Mittwochmorgen auf Facebook. Kurz zuvor war in Kiew gemeldet worden, dass sich die Präsidenten Russlands und der Ukraine, Wladimir Putin und Petro Poroschenko, über eine dauerhafte Waffenruhe in der Ostukraine verständigt hätten. Doch kurz darauf stellte ein Sprecher Putins klar: Dieser könne sich nicht auf eine Waffenruhe mit Petro Poroschenko verständigen, da Russland keine Konfliktpartei in der Ukrainekrise sei.

Die Renterin Olga aus Kiew glaubt niemandem mehr. „Auch wenn Poroschenko und Putin sich geeinigt haben sollen, glaube ich erst an das Ende des Krieges, wenn auch der letzte Soldat von der Front heimgekehrt und alle Toten begraben sind.“

Auch der ukrainische Militärexperte Dmitrij Tymtschuk sieht die Waffenruhe skeptisch. „Wenn Putin sich das erste Mal im Leben nicht als Lügner erweisen sollte und die russischen Streitkräfte ihre Kampfhandlungen gegen die ukrainische Armee tatsächlich einstellen sollten, ist das ein Beweis dafür, dass Moskau im Begriff ist, die Volksrepubliken Donezk und Lugansk als Marionettenstaaten Russlands zu legalisieren. Das würde bedeuten, dass wir mit einer Waffenruhe den Abschied vom Donbass gutheißen. Oder anders gesagt: Wenn wir bereit sind, für den Donbass zu kämpfen, sollte eine Waffenruhe allein zeitlich begrenzt sein.“

Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters berichteten derweil am Mittwoch, dass am nördlichen Stadtrand von Donezk Einschläge von Artilleriegeschossen zu hören waren. Einem hochrangigen Rebellenführer zufolge beharren die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine auf ihrer Forderung nach Abzug der ukrainischen Soldaten von „unseren Territorium“ als Vorbedingung für einen Frieden. Am Mittwoch wurde die Leiche des vermissten russischen Fotojournalisten Andrei Stenin, der für die Nachrichtenagentur Ria Novosti tätig war, in einem ausgebrannten Auto in der Nähe von Donezk gefunden. Das teilte der Chef der Nachrichtenagentur, Dmitri Kisseljow, mit. Stenin ist der siebte Journalist, der seit Beginn des Konflikts im Osten der Ukraine umgekommen ist.

Petr ist Ingenieur aus Kiew. „Ich weiß nicht, was Putin und Poroschenko besprochen haben, aber im Osten wird weiter geschossen und gemordet. Die ganze Situation mit der Waffenruhe erinnert mich an Israel. Da wird morgens eine Waffenruhe ausgerufen und abends karrt man die Leichen nach Hause. Bei uns ist es das Gleiche“, sagt er.

Unterdessen hat die ukrainische Regierung Pläne bekannt gegeben, wonach eine rund 2.000 Kilometer lange Mauer entlang der Staatsgrenze zu Russland errichtet werden soll. „Wir wollen einen echten Schutz“, sagte Ministerpräsident Arseni Jazenjuk am Mittwoch in Kiew. Denkbar sei auch ein Elektrozaun mit Minen und Stacheldraht. Das Projekt soll etwa 100 Millionen Euro kosten. In ihrem Kampf gegen prorussische Separatisten hat die Regierung in Kiew derzeit die Kontrolle über einen Teil der Grenze in der Ostukraine verloren. Die prowestliche Führung wirft Moskau vor, hier Nachschub für die Aufständischen einzuschleusen. (Mit dpa und Reuters)