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Archiv-Artikel

Lieber Welterbe statt neuer Brücke

3.000 Dresdener protestierten gegen umstrittenes Bauprojekt. Der Stadtrat will vor dem Bundesverfassungsgericht klagen, damit das Elbtal weiter in Unesco-Liste bleibt. Sachsens Ministerpräsident Milbradt will am Baubeschluss jedoch nicht rütteln

AUS DRESDEN MICHAEL BARTSCH

Mit einem Zug von den Elbwiesen zur Frauenkirche haben gestern etwa 3.000 Dresdner gegen den beabsichtigten Bau der Waldschlösschenbrücke protestiert. Am Sonntag zuvor hatte es bereits eine spontane Kundgebung am geplanten Bauort gegeben, bei der auch der Wittenberger Theologe Friedrich Schorlemmer sprach. Bei einer symbolischen Spendenaktion wurden seither etwa 10.000 Unterschriften gegen den Bau gesammelt.

Ausgelöst wurde die neue Protestwelle durch einen Beschluss des sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 13.März. Nach einem gescheiterten Mediationsverfahren ordnete das Gericht den sofortigen Baubeginn an. Damit sollte einem Bürgerentscheid vor zwei Jahren entsprochen werden, bei dem sich zwei Drittel der Dresdner für den Brückenbau ausgesprochen hatten. Die Bürger hätten allerdings in weitgehender Unkenntnis darüber entschieden, dass dann die Unesco dem Dresdner Elbtal den Status des Weltkulturerbes aberkennen würde, argumentieren Brückengegner.

Die Unesco hatte von einer „irreversiblen Schädigung“ der geschützten Landschaft gesprochen. Dresden war deshalb bereits auf die „Rote Liste“ der gefährdeten Objekte gesetzt worden. Der auch vom Sächsischen Oberverwaltungsgericht zunächst angestrebte Einigungsversuch auf eine kleinere, von der Unesco akzeptierte Brücke oder einen Tunnel war an den verhärteten Fronten gescheitert. Die deutsche Unesco-Beauftragte Birgitta Ringbeck kündigte inzwischen an, dass Dresden nunmehr als erster Ort der Welt mit der Aberkennung des Welterbetitels rechnen müsse.

Dem will auch der Stadtrat zuvorkommen. Am vergangenen Donnerstag beschloss er mit deutlicher Mehrheit in geheimer Abstimmung, vor dem Sächsischen Verfassungsgerichtshof und beim Bundesverfassungsgericht gegen den Brückenbau Klage einzureichen.

Der mehrfach zur Vermittlung aufgeforderte sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) erklärte unterdessen, es rüttele am demokratischen Grundkonsens, wenn eine „selbsternannte Elite“ einen gültigen Bürgerentscheid aushebeln wolle. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz rief mit einem polemischen Brief ein heftiges Echo hervor. Er warf den Brückengegnern unter anderem einen „Anschlag auf die Demokratie“ und „fundamentalistische Kampfparolen“ vor. Hartmut Haenchen, Intendant der Dresdner Musikfestspiele, trat daraufhin aus der CDU aus.

Zu den Brückengegnern zählen fast die gesamte künstlerische Elite der Stadt und zahlreiche Intellektuelle, während nach Umfragen einer knappen Mehrheit der Bürger der Welterbestatus gleichgültig ist.