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Archiv-Artikel

Verlorene Unschuld

Nach dem Mord an Pakistans Cricket-Trainer wird über eine mögliche Wettmanipulation bei der WM spekuliert

DUBLIN taz ■ The show must go on. Auch nach dem Tod des pakistanischen Cricket-Trainers Bob Woolmer, der vor neun Tagen in seinem Zimmer im Hotel Pegasus auf Jamaika erwürgt worden ist, geht die Weltmeisterschaft auf der Karibikinsel weiter. Doch vom Geschehen auf dem Sportplatz spricht niemand mehr. Stattdessen macht die Jagd nach Woolmers Mördern Schlagzeilen.

Die Polizei untersucht jetzt die Filme aus den Überwachungskameras. Sie zeigen jeden, der zwischen Samstagabend, als Woolmer zum letzten Mal gesehen wurde, und Sonntagfrüh, als er nackt in seinem Badezimmer gefunden wurde, den Fahrstuhl im zwölften Stock des Hotels benutzt hat. Allerdings wird der Flur nicht von den Kameras überwacht, sodass jemand, der ebenfalls im zwölften Stock wohnte, unbemerkt in Woolmers Zimmer gelangen konnte.

Einige pakistanische Spieler und Funktionäre wohnten auf diesem Stockwerk, aber auch Spieler aus Irland und den Westindischen Inseln. Inzamam ul-Haq, der pakistanische Kapitän, war kurz vor dem Mord in den fünften Stock umgezogen, um näher bei bestimmten Spielern zu sein, sagte er aus. Die Polizei hat von Spielern und Funktionären Fingerabdrücke und DNS-Material genommen. Angeblich gab es zwischen Woolmer und einigen Spielern einen Streit im Mannschaftsbus auf dem Weg ins Hotel nach der verheerenden Niederlage gegen Irland, durch die Pakistan aus dem Turnier ausschied.

Die Mannschaft ist am Sonntag aus Jamaika abgereist – zunächst nach London, wo sie zwei Tage Atempause hat, bevor sie heute weiter nach Pakistan fliegt. Die Spieler müssen sich auf einen ungemütlichen Empfang gefasst machen. Wenn sie gewinnen, sind sie Nationalhelden, sie bekommen Staatsehrungen, Werbeverträge und Baugrundstücke. Aber wehe, sie verlieren. Nach dem Ausscheiden gegen Indien bei der Weltmeisterschaft 1996 wurden die Häuser der Spieler mit Steinen beworfen, der Vater eines Spielers wurde entführt. Hat ein wütender Fan Woolmer umgebracht? Die Polizei glaubt nicht daran. Sie meint, dass Woolmer seinen Mörder kannte. Die pakistanische Polizei möchte dagegen einen Beamten nach Jamaika schicken, um zu untersuchen, ob ein indisches Wettsyndikat in den Fall verwickelt ist. Die Wettquote für einen Sieg des großen Außenseiters Irland lag bei 8:1. Zwei pakistanische Spieler sagten aus, dass Woolmer am Samstagabend eine Auseinandersetzung mit einem Buchmacher aus Bombay hatte, den er aus seinem Zimmer warf.

Cricket hatte jedoch lange vor dem Mord an Woolmer seinen Ruf als seriöser Sport, der von Gentlemen gespielt wird, verloren. Vor allem in den Neunzigerjahren häuften sich die Wettskandale, illegale Buchmacher verdienten Millionen. Aber ein Mord? Clive Rice, Cricket-Trainer und enger Freund Woolmers, ist davon überzeugt, dass der pakistanische Trainer im Auftrag eines Wettsyndikats ermordet wurde. Woolmer habe ihm Namen von korrupten Spielern und Buchmachern genannt.

Einige sind bekannt: 1996 zum Beispiel hatte der Kapitän des südafrikanischen Teams, Hansie Cronje, 350.000 Dollar für eine absichtliche Niederlage kassiert. Der damalige Trainer Südafrikas war Bob Woolmer. Cronje kam vor fünf Jahren bei einem Flugzeugunglück ums Leben. Auch das war Mord, behauptet Rice, obwohl die offizielle Version von einem Unfall ausgeht. „Cronje wollte wie Woolmer in einem Buch die Korruption im Cricket aufdecken“, sagt Rice.

RALF SOTSCHECK