: Ausverkauf der belebten Natur
Erst waren es nur Gentech-Pflanzen, die patentiert wurden. Jetzt will das Europäische Patentamt auch für konventionell gezüchtete Lebewesen Monopolrechte vergeben
BERLIN taz ■ Das unter der Nummer EP 1069819 beim Europäischen Patentamt (EPA) registrierte Patent auf eine Brokkoli-Pflanze könnte den weltweiten Umgang mit Saatgut nachhaltig verändern. Zumindest warnte gestern davor ein internationales Bündnis von Bauernverbänden sowie Umwelt- und Entwicklungshilfeorganisationen in München.
Bisher waren es vor allem gentechnisch veränderte Pflanzen und Tiere, an denen sich der Streit entzündete, ob Lebewesen überhaupt patentiert werden dürfen. Die nicht gentechnisch manipulierten Brokkoli-Pflanzen sollen jetzt zum Türöffner dafür werden, dass künftig auch konventionell gezüchtetes Saatgut patentiert werden darf. Damit würde, so Christoph Then von Greenpeace, die gesamte belebte Natur zum Ausverkauf freigegeben.
„Unsere Tiere und unser Saatgut sind das Ergebnis jahrhundertelanger Züchtung der Landwirte“, sagte gestern bei der Vorstellung des Bündnisses Kristian Bir Chaudhary, Chef des indischen Bauernverbandes Bharat Krishak Samaj. „Durch Patente enteignen multinationale Konzerne die Kleinbauern in den Entwicklungsländern.“
Denn für die Landwirte kann die geplante Ausweitung des Patentschutzes teuer werden. Bisher dürfen Landwirte einen Teil ihrer Ernte in der nächsten Anbausaison als Saatgut wieder auf dem Acker ausbringen – vorausgesetzt, sie benutzen kein patentiertes Gentech-Saatgut. Doch das Patentrecht kennt dieses Landwirteprivileg nicht. Hier sind die Bauern gezwungen, jedes Jahr neues Saatgut zu kaufen.
Vor allem die großen Biotech-Konzerne, wie zum Beispiel der Weltmarktführer Monsanto, pochen auf ihr Patentmonopol und verfolgen Landwirte, die dagegen verstoßen, mit kostspieligen Schadensersatzprozessen. Die vom britischen Unternehmen Plant Bioscience Ltd. entwickelten Brokkoli-Pflanzen sind nicht die ersten Lebewesen, für die auch ohne Anwendung der Genmanipulation ein Patent erteilt wurde. So hat Monsanto Hybridweizen schützen lassen und Bayer CropScience Mais, der gegen ein bestimmtes Herbizid resistent ist. Selbst für nicht manipulierte Tiere hat Monsanto schon Patente beantragt.
Noch kann das Brokkoli-Patent, das vom EPA schon vor drei Jahren erteilt wurde, gekippt werden. Die Große Beschwerdekammer des EPA wird sich mit EP 1069819 beschäftigen müssen. Das Ergebnis wird als Grundsatzurteil für die künftigen Patenterteilungen des EPA entscheidend sein. In einen von zahlreichen Verbänden unterzeichneten Brief wird daher auch gefordert, das Brokkoli-Patent für ungültig zu erklären und auch künftig keine konventionell gezüchteten Pflanzen und Tiere unter Patentschutz zu stellen.
WOLFGANG LÖHR