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Archiv-Artikel

Der große Olympiaschwindel

VERSPRECHEN Berlin und Hamburg wollen „gute“ Spiele austragen, nachhaltige, verträgliche. Das ist ein ehrenwertes Ziel – wird aber leider nicht passieren

TEXT ANDREAS RÜTTENAUER ILLUSTRATIONEN JULIANE PIEPER

Andere Spiele sind möglich. Mit diesem Versprechen gehen Hamburg und Berlin ins Rennen um das Recht, die Olympischen Spiele austragen zu dürfen. Das schöne Wort von der Nachhaltigkeit wird in den Willensbekundungen der Stadtregierungen dabei beinahe bis zum Überdruss bemüht. Fast hat man den Eindruck, es wäre den beiden deutschen Großstädten wirklich ernst mit ihrem Anliegen, die Spiele zu verändern.

Dabei wissen sie genau, dass es das Internationale Olympische Komitee (IOC) ist, das die Regeln für die Spiele macht. Die BürgerInnen der Städte werden mit schönen Ideen für niedliche Spiele regelrecht eingelullt, während den Bewerbern gleichzeitig völlig klar ist, dass man die alten Herren und die paar Damen im IOC gewiss nicht davon überzeugen kann, dass gesundgeschrumpfte Kuschelspiele genau das Richtige sind für die Zukunft der olympischen Bewegung.

Glaubt hier ernsthaft jemand, das IOC würde dereinst zu seinen Großsponsoren gehen und sagen, die sollten ihr Engagement ein wenig herunterschrauben; ein paar 100 Millionen Euro weniger überweisen? Man brauche das Geld für diese Minispiele nicht mehr?

Keiner von denen, die jetzt das Wort von den guten Spielen bemühen, wird sich vorstellen können, dass das IOC auf Wunsch einer Ausrichterstadt die Sponsorenverträge mit McDonald’s oder Coca-Cola kündigt, weil deren Produkte alles andere als gesund sind für die Jugend der Welt.

Und niemand würde das Ende des Schneller-höher-weiter, das in den Interessenbekundungen von Berlin und Hamburg beinahe schon beschworen wird, wirklich auf den Sport übertragen. Oder hat jemand ernsthaft vor, nicht demjenigen 100-Meter-Sprinter die Goldmedaille zu geben, der am schnellsten läuft, sondern dem, der einer von der Jury vorgegebenen Richtzeit von zum Beispiel 10,15 Sekunden am nächsten kommt? Und den Marathon soll gewiss nicht die Läuferin gewinnen, die während des Rennens die meisten Gänseblümchen pflückt.

Nein, Berlin und Hamburg wissen genau, worauf sie sich einlassen – nur der Bevölkerung können sie das so nicht sagen. Das Nachhaltigkeitsgeschwafel wird bemüht, um die Stimmung zu beeinflussen: Die tun doch gar nicht weh, diese Spiele, sagen Hamburg und Berlin. Wenn es aber darum geht, das IOC für eine deutsche Olympiabewerbung zu begeistern, werden die Sätze, die andere Spiele beschwören, nur noch in Fußnoten zu finden sein. Denn dann geht es darum, die Wünsche des IOCs zu erfüllen. Und die werden alles andere als bescheiden sein.

Warum ein Hamburger findet, dass Berlin die Spiele ausrichten sollte – und umgekehrt SEITE 44, 45