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Archiv-Artikel

Der deutsche Mann im Mond

HIPPEN EMPFIEHLT In „Die Mondverschwörung“ untersucht Thomas Frickel das Verhältnis der Deutschen zu dem Erdtrabanten zwischen Vollmondcremes und satanischen Wolken

Dem naiv wirkenden Dennis sagen die Menschen Dinge, die sie sonst wohl kaum in der Öffentlichkeit von sich geben würden

VON WILFRIED HIPPEN

Wem gehört der Mond? Mit dieser zugleich grundlegenden und absurden Frage beginnt Dennis Mascarenas seine Recherchen über den Geisteszustand der Deutschen. Dies tut er nicht zum ersten Mal. 1997 schickte der Dokumentarfilmer Thomas Frickel schon einmal diesen wohlbeleibten amerikanischen Fernsehjournalisten auf eine Reise durch Deutschland. Dessen Blick von außen war bereits damals ein sehr effektiver Kunstgriff, denn dem so harmlos und naiv wirkenden Ausländer sagen die Menschen Dinge in die Kamera, die sie sonst wohl kaum so offenherzig in der Öffentlichkeit von sich gegeben hätten.

Diesmal lässt er sich also etwas vom Mond erzählen. Zuerst noch back home in den USA, wo er einen windigen Geschäftsmann interviewt, der sich als Präsident der intergalaktischen Regierung bezeichnet und tatsächlich an eine nicht unbeträchtliche Anzahl von leichtgläubigen Kunden Grundstücke auf dem Mond verkauft hat. Doch dagegen wehrte sich ein Herr in Deutschland, der ebenfalls Anspruch auf den Besitz des Trabanten anmeldete, da Friedrich der Große diesen seiner Familie einst urkundlich vermachte. Als nächstes klopft Dennis an dessen Haustür und trifft so den ersten Wirrkopf in einer Parade von Zeitgenossen, die verbindet, dass sie alle recht merkwürdige Ideen über den Mond haben.

Bei einigen scheint es eher eine raffinierte Geschäftsidee zu sein. So besucht Dennis eine Autorin, deren esoterischen Bücher über den geheimnisvollen Einfluss des Mondes Millionenauflagen haben, er lässt sich von dem Produzenten der „Vollmondcremes“ erklären, welche Heilkräfte diese nur bei Vollmond gemischte Paste hat und er besucht eine Friseurin, die Ärger mit dem Ordnungsamt bekam, weil sie meinte, Haare würden am besten bei Mondschein geschnitten. Guido Westerwelle ernannte sie einst dafür zu seiner Heldin, will aber dann von Dennis partout nicht darauf angesprochen werden. Über dessen zunehmend aggressive Abwehrmaßnahmen wird sich Frickel sehr gefreut haben, denn auf solche entlarvenden Momente ist er aus. Aber nicht immer hat er solches Glück wie mit dem damals noch so herrisch wirkenden Guido oder der Druidin, die nachts auf einem Hügel bei einem Mondritual schön theatralisch in Trance fällt.

Weil Frickel keinen Lacher auslassen will, macht er auch seinen Protagonisten zu einer komischen Figur und das zündet leider nicht immer. Es gibt eindeutig zu viele Einstellungen vom immensen Hosenboden des Amerikaners und seine Bemühungen bei der Mondgymnastik machen den Film auch nicht schöner. Inspiriert ist dann aber wieder die Idee, Dennis zwischen den einzelnen Besuchen auf den Betten von spießigen Hotelzimmern ruhen zu lassen, in denen dann jeweils auch noch ein den Mond betreffendes Kitschobjekt auf der Kommode steht.

Von den okkulten Runenanbetern ist der Weg zu Ufo-Gläubigen und Verschwörungstheoretikern nicht weit, und im letzten Drittel redet Dennis mit Menschen, deren Überzeugungen und Theorien völlig ins Absurde abdriften. Da ist von satanischen Symbolen auf dem Personalausweis die Rede und von Kondensstreifen, durch die entweder die Zionisten oder Außerirdische die Kontrolle über Deutschland übernehmen. Hitler hat in Höhlen unter dem Südpol überlebt und die Rückseite des Mondes ist fest in der Hand der reichsdeutschen Armee – die Geschichten werden so bizarr, dass man aus dem Staunen kaum herauskommt. Zum Ende hin droht der Film zu kippen, denn Frickel dokumentiert hier eindeutig Krankheitsbilder von Angstpsychotikern. Doch für Dennis spinnen die Deutschen ja sowieso.