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Archiv-Artikel

Zeig doch mal die Bilder!

„Spiegel“-Chef Stefan Aust erklärt in seiner dreiteiligen Doku „Wettlauf um die Welt“ die Globalisierung. Vor lauter Material vergisst er dabei Kultur und Politik (1. Teil heute, ZDF, 22.10 Uhr)

VON ROBERT ACKERMANN

Tausende Demonstranten mit großen Transparenten. Vermummte Steinewerfer zwischen Rauchschwaden in Zeitlupe. Heroische Gesten wütender G-8-Gegner in Genua. Dazu Geigenmusik, aufgeregt und spannungsgeladen, Actionfilmatmosphäre. So steigt das ZDF in das Thema Globalisierung ein – und hat das Thema Globalisierungskritik damit bereits abgehakt, der Rest ist Technik.

Mit der Dokumentation „Wettlauf um die Welt“ hat der öffentlich-rechtliche Sender von der Spiegel-TV-Produktionsfirma einen für Dokumentationsverhältnisse sehr aufwändigen Dreiteiler produzieren lassen. Es geht um die Position Deutschlands in der globalisierten Welt, um dessen Chancen und Risiken. Der erste Teil „Das Ende der Deutschland AG – Markt ohne Grenzen“ wird heute im Anschluss an das Fußballländerspiel Deutschland – Dänemark ausgestrahlt.

Vor allem der wirtschaftliche Aspekt der Globalisierung steht im Fokus dieses Prestigeprojekts von Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust und Claus Richter, dem Redaktionsleiter des ZDF-Magazins „Frontal 21“. Ihr Anspruch: beide Seiten des weltweiten Verflechtungsprozesses – die der Gewinner und die der Verlierer – innerhalb einer Fernsehdokumentation auszubreiten.

Zu diesem Zweck begleitet das Spiegel-TV-Team die „Cosco Germany“, ein 335 Meter langes Container-Schiff, bei seiner Fahrt um die Welt. In Korea gebaut, von einem Deutschen bezahlt und an eine chinesische Reederei verpachtet, dient der Koloss als Sinnbild der Globalisierung – am Beispiel seiner Reise durch die Weltmeere sollen die weltweiten Abhängigkeitsverhältnisse deutlich gemacht werden. Das Team besucht Logistikzentren und Firmenzentralen in Deutschland und Asien. Wirtschaftsexperten, erfolgreiche Unternehmer und einfache Arbeiter, deren Arbeitsplätze davon bedroht sind, nach Polen ausgelagert zu werden, kommen zu Wort. Jeder erklärt seine Sicht auf die Dinge und seine persönliche Rolle im Prozess. Ein Chor aus Stimmen der Wut und Verzweiflung, der Begeisterung und des Tatendrangs.

Die Doku versucht die komplexen Zusammenhänge einer globalen Wertschöpfungskette zu entwirren, vor dessen Hintergrund der Niedergang deutscher Industriezweige erklärt wird.Die Textilbranche, die Eletronikbranche, die Stahlindustrie, alle bauten seit den Siebzigerjahren massiv Arbeitsplätze in Deutschland ab. Der Grund: die Billiglohnkonkurrenz aus Asien und Osteuropa.

Dem Thema entsprechend kommen so viele Leute zu Wort, werden so viele Orte besucht, dass man fast schon einmal den Überblick verliert. Die Schnitte sind schnell. Der Text ist mit Musik unterlegt. Die Dokumentation gerät zu einem Potpourri aus populärwissenschaftlicher Aufregung und seriöser Berichterstattung. Schön gedacht für junge Zuschauer, aber an manchen Stellen sind die Macher von Spiegel TV bei dieser Dokumentation über das Ziel hinausgeschossen.

Zu viel Stoff für nur jeweils eine Dreiviertelstunde und trotzdem wird ausschließlich die wirtschaftliche Seite der Globalisierung beleuchtet. Für den Einstieg wird die globalisierungskritische Bewegung zwar noch gebraucht, ansonsten aber bekommt sie keine Stimme. Auch kulturelle Verflechtung und Politik werden komplett ausgeblendet. Der bunte Ausgleich für den dann doch unterkomplexen Ansatz: selten viele und durchaus sehenswerte Bilder.