: Atomprotest statt Osternest
AUFERSTEHUNG An den Ostertagen sollen Massendemonstrationen nicht nur das Ende der Atomkraftnutzung, sondern auch die Wiederbelebung der Friedensbewegung bewirken
VON MARTIN KAUL
Während einige Gläubige momentan die Auferstehung Jesu feiern, arbeitet auch die deutsche Friedensbewegung an ihrer Wiederbelebung: Über 200 Veranstaltungen, 80 Ostermärsche und Massenproteste an 12 Atomstandorten, das ist das reichhaltige Protestprogramm für das Osterwochenende.
Denn 25 Jahre nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl und so kurz nach dem Schock von Fukushima politisieren sowohl die Kirchen wie auch hunderte Anti-Atom- und Friedensinitiativen das Osterfest mit einer klaren Botschaft: Einfach so weitermachen, das geht nicht mehr.
Das christliche Fest sei eine Chance für einen Neuanfang, sagte Friedrich Weber, Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen in Deutschland. Und während in vielen Gotteshäusern am Wochenende die Beherrschbarkeit der Atomkraft und der Libyenkrieg wichtige Themen sein dürften, sollen die Feiertage auch außerhalb der religiösen Sphären für Aufbruchstimmung sorgen.
Schon seit Ende letzten Jahres mobilisiert ein Bündnis atomkraftkritischer Initiativen für den diesjährigen Ostermontag zu massenhaften Protesten. Dann sollen an zwölf AKW-Standorten zehntausende, vielleicht sogar hunderttausende Menschen auf die Straßen gehen: Erst Ende März hatten nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima zuletzt spontan 250.000 Menschen bundesweit für den sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie demonstriert. Die Veranstalter hoffen, dass sich am Wochenende ähnlich viele Menschen beteiligen werden. Allein für den Sternmarsch im südhessischen Biblis rechnet man mit über 10.000 Teilnehmern.
An den übrigen Atomkraftwerken werden ebenfalls Zehntausende erwartet. Besonders anspruchsvoll sollen die Proteste in Esenshamm nördlich von Bremen werden. Wassersportler und sogar ein großer Ausflugsdampfer werden dafür sorgen, dass die Menschenkette rund um das Kraftwerk auch über die Weser führt.
Dass der Kampf gegen Atomkraft nicht nur religiöse, sondern auch Staatsgrenzen überschreiten kann, soll sich im Dreiländereck zwischen Deutschland, der Schweiz und Frankreich zeigen. Dort wollen Atomkraftgegner aller drei Länder auf elf Rheinbrücken demonstrieren. Transnational wird es auch am französischen Atomkraftwerk Cattenom zugehen, wo rund 5.000 Atomkraftgegner aus dem Saarland, aus Rheinland-Pfalz und Belgien erwartet werden.
Daneben wird am Ostermontag auch am Schacht Konrad im Braunschweiger Land demonstriert sowie am Zwischenlager Lubmin in der Nähe von Greifswald. Dort werden die Proteste von einem dreitägigen Demonstrationszug eingeleitet: In einem Treck vom Schweriner Landtag zum Zwischenlager Lubmin sind von Karfreitag bis zum Ostermontag Demonstranten mit Fahrrädern, Traktoren und Autos gemeinsam unterwegs.
Weil Atomkraftgegner so massenhaft wie selten zuvor auf die Straße gehen, erhofft sich auch die Friedensbewegung stärkeren Zulauf zu ihren traditionellen Ostermärschen, die ergänzend zu den Protesten am Montag über das gesamte Wochenende an rund 80 Orten stattfinden sollen. Auch dort steht neben dem Afghanistan- und dem Libyenkrieg das Thema Atomkraft im Mittelpunkt. Das hat Tradition, führte der weltweit erste Ostermarsch 1958 von London doch zur britischen Atomforschungsanlage Aldermaston.
An der nordrhein-westfälischen Urananreicherungsanlage Gronau gehen Friedens- und Anti-Atom-Initiativen am Montag ausdrücklich gemeinsam demonstrieren. Für zahlreiche weitere Veranstaltungen haben Anti-Atom- und Friedensaktivisten einen „Redneraustausch“ vereinbart. Schließlich wollen alle dasselbe: weg vom Atom, zivil wie militärisch, egal ob ihre letzte Instanz Gott ist oder ihr Gewissen.