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Archiv-Artikel

Auch Kurden können arabische Revolution

IRAK Im autonomen Norden des Landes mehren sich Proteste gegen die Regierung und gewaltsames Vorgehen der Staatsmacht

AUS BAGDAD INGA ROGG

Der kurdische Teilstaat im Nordirak preist sich gern als „der andere Irak“, eine sichere Oase, in der Demokratie und Wirtschaft im Gegensatz zum Rest des Landes blühen. Kritiker werfen den beiden Regierungsparteien dagegen Methoden wie in einem Polizeistaat vor. Seit Wochen wird die Region von einer Welle von Protesten gegen die Regierung erschüttert.

Nach Angaben der Oppositionspartei Goran haben Sicherheitskräfte in den letzten Tagen in Suleimaniya nahe der iranischen Grenze mindestens 150 Demonstranten festgenommen und zum Teil schwer misshandelt. Zwar kamen die meisten mittlerweile wieder frei, doch zahlreiche Gefangene seien brutal zusammengeschlagen worden, sagte Goran-Sprecher Hama Tawfik zur taz. „Etliche Freigelassene haben Knochenbrüche oder eingeschlagenen Zähne.“ Anfang der Woche hatten Sicherheitskräfte einen Platz geräumt, den die Demonstranten besetzt hatten. Dabei kam es zu gewaltsamen Zusammenstößen, die nach Krankenhausangaben mehr als 90 Verletzte forderten.

Die Stadt gleiche mittlerweile einer Polizeigarnison, sagen Menschenrechtler. In der gesamten Innenstadt seien Einheiten von Polizei, der Staatssicherheit und der Antiterrorabteilung in Stellung. Innenminister Kerim Sinjari rechtfertigte das Demonstrationsverbot mit dem Hinweis, dies sei besser als ein Blutvergießen. „Auf die Dauer lassen sich Proteste nicht gewaltsam unterdrücken“, sagt hingegen Menschenrechtler Pola Ibrahim Wali. Die Regierung müsse endlich konstruktiv auf die Anliegen der Jugend reagieren.

Begannen hatten die Proteste vor zwei Monaten, als in Suleimaniya mehrere tausend Jugendliche gegen Korruption und für bessere Dienstleistungen, Jobs sowie politische Reformen auf die Straße gingen. Schnell breitete sich die Bewegung über die gleichnamige Provinz an der iranischen Grenze aus, in der die Patriotische Union Kurdistans (PUK) dominiert, die Partei von Iraks Staatspräsident Jalal Talaban. Zusammenstöße forderten sieben Tote und Dutzende von Verletzten. Der PUK-Koalitionspartner, die Demokratische Partei Kurdistans (KDP), verhinderte nach Angaben von Beobachtern die Ausweitung der Proteste auf ihre Hochburgen nur, indem sie von Anfang an scharf gegen jede Unmutsbekundung vorging. So habe die KDP kurzerhand die Universität von Erbil geschlossen und an Checkpoints Autofahrer aus Suleimaniya zurückgewiesen.

Unter dem Eindruck der Proteste kündigte Regionalpräsident Masud Barzani (KDP) Reformen an. Doch das Versprechen sei nicht eingelöst worden, erklärten mehrere Bürgerrechts- und Menschrechtsgruppen am Mittwoch und forderten, den Polizei- und Militäreinsatz gegen Zivilisten zu beenden. Auch müsse die kurdische Regierung der Unterdrückung freier Berichterstattung und der Verhaftung von Journalisten ein Ende setzen.