: Bürgerrechtler mit Puste
Weil sich die CDU geweigert hat, Volksentscheide verbindlich zu machen, muss das Bündnis für mehr Demokratie weiterkämpfen. Eventuell wird es mit einer neuen Volksinitiative von vorn beginnen
VON GERNOT KNÖDLER
Das Bündnis für wirkungsvolle Volksentscheide steht vor einem schwierigen Problem. In den nächsten Wochen wird es entscheiden müssen, ob es an dem jetzt möglich gewordenen Volksentscheid festhält, oder ob es mit dem Volksgesetzgebungsverfahren noch einmal von vorn beginnt. Letzteres wäre ein weiterer Kraftakt in einem zehn Jahre währenden Kampf um mehr Demokratie, würde aber die Chancen verbessern.
In dem Dilemma steckt das Bündnis aus Bürgerinitiativen, Vereinen und Parteien wegen einiger Winkelzüge der CDU. Deren Bürgerschaftsfraktion hatte am Montagabend beschlossen, ein Volksbegehren zur Erleichterung des Volksentscheids zwar anzunehmen, eine weiteres Volksbegehren, das Volksentscheide verbindlich gemacht hätte, jedoch abzulehnen.
Nicht nur das: Der CDU-geführte Senat machte den Bezirksämtern Beine, so dass die Stimmen so schnell ausgezählt waren wie selten und das Ergebnis ruckzuck verkündet werden konnte. Außerdem beschloss die Fraktion, die nächste Bürgerschaftswahl auf einen späten Termin zu legen. Aufgrund der gesetzlichen Fristen stellt beides sicher, dass der ausstehende Volksentscheid zur Verbindlichkeiten von Volksentscheiden nicht an am Wahltag stattfinden kann. – Dabei sieht der Volksentscheid, dem die CDU zustimmte, vor, dass Volksentscheide parallel zu Wahlen stattfinden sollen.
„Offensichtlich hoffen Senat und CDU-Fraktion, dass nicht genügend Stimmen zusammenkommen, wenn der Volksentscheid nicht am Wahltag stattfindet“, sagt Angelika Gardiner, Vertrauensfrau der Volksinitiative. „Wir wissen nur: Überall, wo nicht an Wahltagen abgestimmt wird, landet man zwischen 20 und 35 Prozent Beteiligung“, sagt Manfred Brandt vom Verein Mehr Demokratie. Geht es um einfache Gesetze, reicht ein solcher Zuspruch für eine gültige Abstimmung aus. Um Volksentscheide verbindlich zu machen, müsste jedoch die Hamburgische Verfassung geändert werden. Dafür müssten sich mindestens 50 Prozent der Wahlberechtigten abstimmen.
„Wir haben verschiedene Optionen“, sagt Brandt. Das Bündnis könnte versuchen, trotz der hohen Hürde den jetzt möglichen Volksentscheid zu beantragen – um im Falle eines Scheiterns sofort wieder von vorn anzufangen, sprich: eine neue Volksinitiative auf den Weg zu bringen. Damit würde das Bündnis eine Chance wahrnehmen, die es sich mit viel Aufwand erstritten hat. Es würde überdies von einer von der CDU eingeführten Neuerung profitieren: Allen Wahlberechtigten werden automatisch Briefwahlunterlagen für den Volksentscheid zugestellt, was die Beteiligung erhöhen dürfte.
Brandt fürchtet aber, dass das Bündnis im Falle eines Scheiterns den Schwung verlöre. Die Mitstreiter würden demotiviert, das Bündnis könnte zerfallen. „Wir dürfen keine Niederlage einstecken, die uns schwächt“, sagt Brandt. Dieser Weg setze voraus, dass die Beteiligten das Risiko nüchtern einschätzten.
Alternativ könnten die Vertrauensleute der Volksinitiative – Angelika Gardiner von Mehr Demokratie, Jürgen Mackensen von der Patriotischen Gesellschaft und Frank Teichmüller für den DGB – darauf verzichten, den Volksentscheid zu beantragen. Dann müsste das Bündnis bis zum 18. Dezember eine neue Volksinitiative zustande bringen, um einen Volksentscheid am Tag der nächsten Bundestagswahl erzwingen zu können, sagt Brandt. Über die Optionen solle bei einem Treffen am 18. April diskutiert werden.