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Archiv-Artikel

BLAIRS KRITIK AN IRANS UMGANG MIT GEFANGENEN IST UNGLAUBWÜRDIG Auf einem Auge blind

Premierminister Tony Blair verurteilt die Festnahme der 15 britischen Marinesoldaten durch Iran als „illegal“, weil sich die 15 Soldaten „eindeutig“ außerhalb der iranischen Hoheitsgewässer befunden hätten. Doch das ist mitnichten klar. Die iranisch-irakische Wassergrenze im Schatt al-Arab verläuft entlang der tiefsten Fahrrinne, die sich wegen Verschiebungen des Bodensandes laufend verändert. Der jahrzehntealte Streit um diese Grenze war einer der Gründe für den irakisch-iranischen Krieg zwischen 1980 und 88. Zu Recht kritisiert Blair dagegen zwei andere Punkte: Die iranische Regierung verweigerte britischen Diplomaten bisher den Zugang zu den gefangenen Soldaten. Außerdem zeigte das iranischen Staatsfernsehen sie beim Abendessen; damit verletzte Iran die Genfer Konventionen. Ob das „Schuldeingeständnis“ der Soldaten durch Druck oder gar Folter erzwungen wurde, wie von der Regierung in London spekuliert wird, ist bislang nicht erwiesen.

Blairs Kritik wäre allerdings nicht nur für iranische Ohren um vieles glaubwürdiger, wenn er auch nur ein einziges Mal die sehr viel schwerer wiegenden Verletzungen der Genfer Konventionen kritisiert hätte, für die die Bush-Administration verantwortlich ist. Dazu zählen die demütigende öffentliche Vorführung des Gefangenen Saddam Hussein, die Folter im Gefängnis Abu Ghraib und die völkerrechtswidrige Inhaftierung ohne Anklage von über 400 Personen in Guantánamo. Auch dass US-Truppen im Irak seit nunmehr über einen Monat fünf Iraner gefangen halten und der Führung in Teheran den Zugang zu ihnen verweigert, scheint für Blair kein Problem. Er wird sich dem Thema allerdings stellen müssen, sollte Teheran ihre Freilassung zur Bedingung machen für die Freiheit der 15 britischen Soldaten.

Das alles ändert nichts daran, dass die Festnahme der britischen Soldaten durch Iran ein törichter Akt war. Die Regierung in Teheran hat die Fraktion der Hardliner in Washington gestärkt, die auf einen Krieg gegen Iran drängen. Wäre die iranische Marine letzten Freitag nicht gegen britische, sondern gegen US-amerikanische Soldaten vorgegangen, hätte dieser Krieg vielleicht schon begonnen.

ANDREAS ZUMACH