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Archiv-Artikel

Wertheim-Streit ist beigelegt

Die Jewish Claims Conference einigt sich für die Erben der Kaufhausdynastie außergerichtlich mit KarstadtQuelle. Der Handelskonzern zahlt 88 Millionen Euro

„Wir mussten unserer Verantwortung gegenüber der Geschichte gerecht werden“

BERLIN taz ■ Die Erben der jüdischen Familie Wertheim erhalten nach einem jahrelangen Rechtsstreit nun eine Entschädigung für Grundstücke, die die Nazis der Kaufhausdynastie geraubt hatten. Die Jewish Claims Conference (JCC) einigte sich für eine Erbengemeinschaft außergerichtlich mit KarstadtQuelle. Der Handels- und Tourismuskonzern wird 88 Millionen Euro zahlen – wie viel davon die Erben bekommen, wollte die JCC mit Rücksicht auf deren Privatsphäre nicht sagen.

Nach Angaben der JCC handelt es sich um eine der höchsten Summen, die je für eine Enteignung jüdischer Besitzer durch die Nazis gezahlt wurden. Es geht dabei vor allem um das sogenannte Lenné-Dreieck am Potsdamer Platz im Herzen Berlins.

Die Geschichte des Areals ist kompliziert, was das Verfahren erschwerte: Die Fläche war von den Nazis „arisiert“ worden. Anfang der 50er-Jahre hatte der Warenhauskonzern Hertie die Firmenanteile der Wertheim-Erben für einen winzigen Betrag erworben. Das Lenné-Dreieck war nach dem Krieg Teil Ostberlins, fiel aber im Rahmen eines Gebietstausches an den Westen. Als die Mauer fiel, erhielt Hertie das Grundstück vom Land Berlin zurück. Hertie wurde 1994 von Karstadt geschluckt. Ende 1999 verkaufte der Kaufhauskonzern das Grundstück für 145 Millionen Euro an den Gründer der Metro-Kette Otto Beisheim. Der ließ darauf unter anderem das Beisheim-Center bauen, das 435 Millionen Euro wert ist. Ein entscheidender Durchbruch für die Erben waren die Urteile mehrerer Gerichte, dass das Areal zum Zeitpunkt des Verkaufs an Beisheim eigentlich noch den Wertheim-Erben gehört habe.

KarstadtQuelle-Chef Thomas Middelhoff sagte nun, mit der Einigung seien „alle strittigen Fragen geregelt“. „Dankbar und erleichtert“ sei er – und fügte hinzu: „Wir waren gehalten, unserer Verantwortung gegenüber der Geschichte gerecht zu werden.“

„Es war ein langer und schwerer Weg, um zu diesem Ergebnis zu kommen“, sagte der JCC-Direktor Roman Haller. Nach Informationen seines Stellvertreters Jürgen Roth hatte Haller das Ergebnis in meist geheim gehaltenen Verhandlungen mit Middelhoff erzielt. Der „Schlüssel“ zu der Einigung sei neben einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Ende 2004 in einer zuletzt veränderten Position von KarstadtQuelle zu finden. Das habe wohl auch an der in letzter Zeit besseren wirtschaftlichen Lage des Konzerns gelegen. Der Konzernsprecher Jörg Howe hatte noch im September vergangenen Jahres erst einmal „keine Möglichkeit einer außergerichtlichen Klärung“ gesehen. Dagegen hatte die Sprecherin der Erben, Barbara Principe, zur gleichen Zeit gesagt: „Meine Familie wird niemals ruhen. In meinem Herzen weiß ich, dass meine Familie gewinnt.“

Im Hintergrund half Altkanzler Helmut Kohl, eine Einigung zu erzielen. Haller wie Middelhoff dankten dem CDU-Politiker dafür, sie an einen Tisch gebracht zu haben. „Ohne ihn wären diese Verhandlungen nicht möglich gewesen“, sagte Haller.

Nach Angaben des JCC fließt nun ein Teilbetrag der 88 Millionen Euro an Projekte zur Unterstützung von Holocaust-Überlebenden in aller Welt. Zwar gibt es Roth zufolge noch Grundstücke, für die die JCC weiter im Namen der Wertheim-Erben eintrete. Mit dem Karstadt-Konzern aber hätten diese Fälle nichts mehr zu tun. Mit der jetzt getroffenen Entscheidung sei „der Hauptbrocken“ vom Tisch. Roth sagte, der JCC vertrete in Ostdeutschland insgesamt noch 30.000 Forderungen nach Entschädigungen. Die Grundstücke seien zwischen 1.000 und 200.000 Euro wert.PHILIPP GESSLER