MUSIK

hört auf den Sound der Stadt

THOMAS MAUCH

Vorwärts immer, meinte mal der Erich Honecker, und beschloss sein Sätzlein mit einem „rückwärts nimmer!“ Aber was wusste der ZK-Chef schon groß von der Musik und ihrer Dynamik? Jedenfalls lautet das Stichwort des musikalischen Schaffens der Gegenwart derzeit doch wohl Vergangenheitsbewältigung. Überall hört man die Retroschlaufe, alles meint man, noch einmal machen zu müssen. Und die Menschen, sie wollen es ja so. Das Blumfeld-Konzert am Samstag im Astra zur Zwanzigjahrfeier des Albums „L’Etat et moi“: Ratzeputz ausverkauft, seit Wochen. Genauso wie das Konzert am gleichen Tag im Lido von Throw that Beat in the Garbagecan (nicht ganz so wirkmächtig wie Blumfeld, dafür mit einem weitaus größeren Niedlichkeitsfaktor), die nach 17 Jahren Bühnenabsenz mal wieder raus aus ihrer Tonne kommen. Dann wären da noch diese Woche die hart gitarrenrockenden Helmet, die ihr vor zwanzig Jahren erschienenes „Betty“-Album am Montag im SO36 nachspielen (Oranienstr. 190, 20 Uhr, 23 €), an diesem Montag spielt auch Roger McGuinn mit seinem popgeschichtlichen Eintrag als Byrds-Mastermind in der Passionskirche (Marheinekeplatz, 20 Uhr, VVK: 32 €), der aber eigentlich gar nicht retro ist, sondern einfach weiter seine Arbeit als Musiker macht, und am Dienstag gibt es mit Tuxedomoon im Roten Salon eine weitere Band mit genug an Vergangenheit: waren mal die düsterste Versuchung der Wave-Avantgarde (Rosa-Luxemburg-Platz, 21 Uhr, 21 €).

Puh! So viel Geschichte.

Und halt Geschichte, die ja doch fortgeschrieben wird. Bei den Smoke Fairies, Katherine Blamire und Jessica Davies aus England, hört man mittlerweile auch einen in katebushige Sturmhöhen spielenden Dreampop, ohne dass die beiden darüber ihren dunkel vibrierenden Folk in schönster Fairport-Convention-Stimmung vergessen hätten. Sie spielen am Freitag in der Berghain-Kantine (Rüdersdorfer Str. 70, 20 Uhr, VVK: 14 €). Oder, als Alternative an dem Abend, Trabant Echo, die im Mindpirates in den prinzipiell endlosen Weiten des Postrock unterwegs sind auf der Suche nach der musikalischen Bewusstseinserweiterung, stur dem Mittelstreifen entlang (Falckensteinstr. 48, 21 Uhr).

Den australischen Gitarristen Mick Turner kennt man vor allem als Mitglied von Dirty Three, die wiederum eine ruhig atmende Sehnsuchtsmusik machen, die einen anfasst wie ein prachtvoller Sonnenuntergang. Was natürlich Kitsch ist, so ein Schreiben über prachtvolle Sonnenuntergänge. Aber geht ruhig mal raus und schaut auch mal wieder einen an. Oder geht fürs gleiche Glück zu Mick Turner (er spielt zusammen mit einem Schlagzeuger) am Mittwoch in den Monarch (Skalitzer Str. 134, 21 Uhr, 12 €).