: Gras und das Getto
Mit der US-Serie „Weeds“ (22.10 Uhr) startet ProSieben die nächste Vorstadt-Satire – sie ist um einiges schärfer als „Desperate Housewives“
VON CHRISTIAN BUSS
Die Schachteln sind klein, aber teuer in der Finanzierung. Zum Vorspann von „Weeds“ singt die Songwriterin und überzeugte Sozialistin Malvina Reynolds ihr „Little Boxes“, ein hübsches, böses Folkliedchen über den US-Mittelstand und seine normierte Wohnkultur. So richtig einverstanden ist auch Hausfrau und Serienheldin Nancy Botwin (Mary-Louise Parker) nicht mit der Eigenheimsiedlung, die akkurat in die Hügel der kalifornischen Landschaft betoniert ist. Beim inoffiziellen Gelderwerb beweist sie durchaus subversiven Elan – wenn auch nur aus dem Grund, den sozialen Standard für sich und ihre beiden Söhne zu sichern: Mit dem aufgeräumten Charme einer Avon-Beraterin zieht Nancy von Tür zu Tür und dealt mit Marihuana.
Schon wieder eine US-Serie, in der die Bizarrerien und Paradoxien der Vorstadt beleuchtet werden. Doch wo „Desperate Housewives“ den Status quo aufs Unterhaltsamste in sein Gegenteil pervertiert und so letztlich unverfänglich bleibt, da arbeitet sich „Weeds“ stärker an den Widersprüchlichkeiten des Mittelstandssoziotops ab.
Diese Nancy Botwin ist ja nicht einfach eine lässige Grenzgängerin zwischen der eigenen „gated community“ und dem Getto, wo sie bei einer netten schwarzen Familie regelmäßig ihren Drogengrundstock auffüllt. Sie gibt sich liberal und aufgeklärt, bleibt aber letztlich doch nur die „dumbass white bitch“, die beim Marihuana-Großeinkauf ihre Dollarbündel mit Geschenkschlaufen versieht.
Auch die ethische Rigorosität, mit der Nancy ihre Geschäfte betreibt, erweist sich bald als schwer vermittelbar: Zwar läuft sie mit einem hübsch dekorierten Körbchen, in dem sich halb legale und illegale Substanzen aller Art befinden, durch die Nachbarschaft – dem halbwüchsigen Dealer aber, dessen ältere Kundschaft sie sich ganz eigennützig unter den Nagel gerissen hat, will sie jetzt auch noch verbieten, seinen Stoff an die Zehnjährigen auf dem Spielplatz zu verticken. Doch als moralische Instanz taugt die Kleinstunternehmerin, die sich und ihre Familie nach dem Tod ihres unterversicherten Mannes durchbringen muss, eben nicht mehr. Den Jungdealer kann sie erst ganz außer Gefecht setzen, als sie ihn mit einem schwulen Nachbarn in dessen Whirlpool erwischt und droht, den Eltern davon zu erzählen. Nancy steckt also selbst tief drin in der Bigotterie der von ihr so verachteten Eigenheimwelt.
Das macht die tragikomische Tiefe dieser mit ganz vortrefflichen Vibratoren-, Diät-, Psychopharmaka-, Kreuzigungs- und Sexchat-Witzen ausgeschmückten Vorstadtfeldstudie aus: Die Heldinnen verteidigen gleichermaßen den sozialen Status als auch das lieb gewonnene Bild von sich selbst. Sanfte Hausfrauen agieren in der vielfach dekorierten Serie, die bezeichnenderweise wie das Lesbendrama „The L Word“ vom kleinen Kabelsender Showtime produziert wurde, schon mal mit schier unerschöpflicher krimineller Energie, und Monstermütter zeigen plötzlich ganz gegen ihren Willen liebenswerte Seiten. Da ist zum Beispiel Nachbarin Celia Hodes (Elizabeth Perkins): Der blondierte Albtraum kontrolliert die große Tochter bei deren sexuellen Aktivitäten mit Überwachungskameras, die sie in rosa Teddybären installiert hat, und die kleine Tochter pumpt sie mit Abführmittel voll, sodass sich das Pummelchen vor der versammelten Klasse in die Hose macht. So eine wie Celia kann niemanden lieben, wahrscheinlich nicht mal sich selbst.
Und doch kommt es zwischen Nancy und ihr bald zu einem sonderbar intimen Erfahrungsaustausch. Der krankhaft perfektionistischen Mom wird Krebs diagnostiziert, bald muss sich Celia deshalb von ihren penibel in Schuss gehaltenen Brüsten trennen. Bei einem Besäufnis hecken die beiden Frauen aus, wie die Krebspatientin nach absolvierter OP nachrüsten wird. Der größte Plastikbusen überhaupt wird angedacht, so „silikonfreakmäßig“, wie Celia selbst sagt; die Nachbarinnen sollen platzen vor Neid. Die mittelständische Norm, in „Weeds“ wird sie gelegentlich auch mal mit so was wie Körbchengröße gesprengt.