RAINER SCHÄFER RADIKALE WEINE :
Weinbau in Oregon ist eine junge Disziplin, noch keine 50 Jahre alt. Auf die Idee, dort Reben anzupflanzen, kam David Lett. Der sollte in Kalifornien Zahnarzt werden, verliebte sich aber in die Pinot noirs des Burgunds und beschloss, stattdessen Weinbau zu studieren. Pinot noir gilt als die Rebe, die Winzern das Herz brechen kann: Sie ist eine Diva, die höchste Ansprüche stellt – doch ihre Weine faszinieren durch ein Höchstmaß an Finesse, Komplexität und ein wenig auch durch reine Magie.
Kalifornien schien Lett zu heiß, um die kapriziöse Rebe anzubauen. Das kühlere Oregon schien dafür besser geeignet. Also machte Lett sich auf den Weg, mit langen Haaren, wildem Bart und 3.000 Reben, besessen davon, in Oregon den perfekten Pinot noir zu erzeugen. Er kam an – und wurde ausgelacht. Oregon war bekannt für Haselnüsse und Weihnachtsbäume. Die Banken weigerten sich, ihm Geld zu leihen. Beirren ließ sich Lett dennoch nicht: 1965 gründete er das Weingut The Eyrie Vineyards, 1979 deklassierte er Spitzenwinzer aus dem Burgund auf der Weinolympiade in Paris.
Seit David Letts Tod im Oktober 2008 führt sein Sohn Jason das Weingut mit derselben Leidenschaft fort. Jason Lett ist für seine experimentellen Methoden bekannt, er beschallt seine Trauben auch mal mit Musik, am liebsten vom Jazzsaxofonisten John Coltrane oder mit Kompositionen von Hildegard von Bingen. „Pinot noir wird sogar von der Musik beeinflusst, die du ihm vorspielst“, behauptet er.
2007 musste der Pinot noir ohne Musik gedeihen; damals bauten ihn Vater und Sohn noch gemeinsam an. Es ist ein Pinot, der neben seidiger Frucht auch Erde durchscheinen lässt, ein kleines Wunderwerk an Balance und Harmonie. Wer davon trinkt, dem schwinden für einen Moment die Sinne: Da steht nicht mehr viel zwischen Körper und Seele.
■ Pinot noir Dundee Hills Estate 2007, The Eyrie Vineyards, 33 Euro, Bezug über www.oregonwines.de