: Erschwerte Privatisierung
DIREKTE DEMOKRATIE Gewerkschaftlich dominierte Volksinitiative beginnt damit, Unterschriften für ein Volksbegehren gegen Privatisierungen zu sammeln
Strohfeuer: Für sechs Milliarden Euro hat Hamburg in den vergangenen Jahren laut Ver.di öffentliche Unternehmen privatisiert, um Haushaltslöcher zu stopfen.
Abgänge: Verkauft wurden seit 1988 die Hamburgischen Electrizitätswerke (HEW), Hein Gas, der Landesbetrieb Krankenhäuser (LBK) und pflegen&wohnen.
Reaktionen: Um den Einfluss auf die Energiepolitik in Teilen wiederzugewinnen, gründete der vorige Senat den Versorger Hamburg Energie und plant der amtierende Senat ein Beteiligung an den Versorgungsnetzen von 25,1 Prozent.
Der Countdown läuft. Bis zum 23. Mai hat die Volksinitiative „Keine Privatisierung gegen den Bürgerwillen“ Zeit, 62.000 Unterschriften für das von ihr angestrebte Volksbegehren zu sammeln. Am Dienstag startete dieser Versuch am Gerhart-Hauptmann-Platz, wo DGB-Chef Uwe Grund und Ver.di-Chef Wolfgang Rose die Werbetrommel rührten.
„Saga, Hochbahn und Stadtreinigung dürfen nicht verkauft werden, um Haushaltslöcher zu stopfen“, warnt Rose und spitzt diesen Appell auf die Formel „Gemeinwohl statt private Profite“ zu. „Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge“ dürften nur noch dann verkauft werden können, wenn die Hamburger mehrheitlich zustimmen. Rose erinnert an die leidvollen Erfahrungen nach dem Verkauf der HEW an Vattenfall und des Landesbetriebs Krankenhäuser an den Asklepios-Konzern. Durch ersteren habe Hamburg „seinen Einfluss auf die Energiepolitik verloren“, durch letzteren „die Situation für die Beschäftigten entscheidend verschlechtert“. So etwas soll bald nicht mehr möglich sein.
Zwar haben die Gewerkschaften auch die Verbraucherzentrale und Attac als Bündnispartner gewonnen, doch in der Abwicklung nutzen sie vor allem ihre eigene Infrastruktur. Vor allem Betriebsräte und Vertrauensleute sollen in den Unternehmen die nötigen Unterschriften zusammenbekommen. Während Rose auf 80.000 bis 90.000 Unterschriften hofft, ist Grund etwas skeptischer: Gut 70.000 Unterstützer müssten genügen. Der Grund für Grunds Skepsis: „Es fehlt einfach der Aufreger. Als wir das Volksbegehren initiiert haben, hatten wir konkrete Hinweise darauf, dass der damalige Finanzsenator Karsten Frigge geplant hat, zumindest Teile der Stadtreinigung zu privatisieren“, erinnert sich Rose. Doch das ist Geschichte – was es dem Volksbegehren nicht leichter macht. „Man muss den Menschen erstmal zwei Minuten erklären, warum das Thema wichtig ist“, nennt Uwe Grund ein Problem, das die rund 500 freiwilligen Unterschriften-Sammler in der hektischen Betriebsamkeit der Fußgängerzonen erwartet.
Kommen genug Unterschriften zusammen, wird die Initiative mit dem Senat und den in der Bürgerschaft vertretenen Parteien über eine Umsetzung ihrer Forderungen verhandeln. Die Regelung bedarf einer Änderung der Hamburger Verfassung und damit einer Zweidrittel-Mehrheit im Parlament. Scheitern die Verhandlungen, käme es zu einem Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl im Herbst 2013.
MARCO CARINI