: Die tägliche Angst vor dem Abschiebeknast
Österreichs neues Fremdenrecht erlaubt es, Ausländer rigoros abzuschieben, auch wenn sie jahrelang im Land und voll integriert sind. Mittlerweile regt sich in immer mehr Gemeinden auch bei den Einheimischen Unmut gegen diese Praxis
WIEN taz ■ Afzaal Deewan ist das, was man einen Vorzeigeunternehmer nennt. Auf den Speisekarten des pakistanischen Gastwirts in Wien sind nur die Getränke ausgepreist. Für Speisen zahlt jeder, was sie ihm wert sind. Das Geschäft floriert. Deewan und seine österreichische Frau Natalie bekamen vom Wiener Wirtschaftsministerium eine Auszeichnung für erfolgreiche Jungunternehmer.
Trotzdem muss der ehemalige Flüchtling jeden Tag fürchten, in Abschiebehaft genommen zu werden. Das seit Januar 2006 gültige österreichische Fremdenrecht gilt sogar rückwirkend. Früher erwarb man kraft Eheschließung die dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung und Arbeitserlaubnis. Jetzt muss der Antrag im Heimatstaat gestellt werden. Meist wird von den Behörden die Visaerteilung verschleppt, manchmal verweigert.
Deewans Fall hat so viel Empörung ausgelöst, dass der Innenminister wohl von seinem Recht, humanitären Aufenthalt zu gewähren, Gebrauch machen wird. Auch die georgische Familie Torosian, die seit sechs Jahren in einem Dorf in Niederösterreich lebt, muss zumindest bis Juli nicht mehr fürchten, aus dem Bett gerissen und in ein Flugzeug verfrachtet zu werden. Vater Arman verdingt sich in der Kirche als Mesner, obwohl er als Fernsehtechniker einen Job finden könnte. Seine Frau Anja, Englischlehrerin, dient die Wohnungsmiete mit Hausarbeit ab. Die 14-jährige Tochter Evelyne gilt als Musterschülerin. Von den Klassenkolleginnen bis zum Bürgermeister setzen sich in der Gemeinde Hohenberg fast alle für die Georgier ein, die seit über fünf Jahren auf eine Entscheidung des Asylgerichts warten.
Im oberösterreichischen Gallneukirchen wurde Anfang April in einer Gemeindeversammlung zum zivilen Ungehorsam aufgerufen, falls die kosovo-albanische Familie Kabashi abgeschoben werden sollte. Nach dem neuen Fremdenrecht machen sich auch jene strafbar, die Menschen ohne gültigen Aufenthaltstitel verstecken oder deren Abschiebung verhindern. Im steirischen Leoben hat die Bevölkerung erreicht, dass ein iranischer Asylwerber mit seiner 14-jährigen Tochter erstmals vom Asylgericht angehört wurde. Sechs Jahre hatte sich Österreich für nicht zuständig erklärt.
Obwohl fast jeden Tag neue Opfer des verschärften Fremdenrechts geschaffen werden, wirft Innenminister Günter Platter, ÖVP, die Gebetsmühle an: Das Gesetz sei ausgezeichnet und habe Zuwanderung wie Asylanträge dramatisch gesenkt. Etwaige Härtefälle würden geprüft. Von einer Reform will in seiner Partei niemand etwas wissen.
Deswegen hat in der ÖVP auch noch keiner auf einen Vorschlag der Grünen reagiert, alle Menschen, die seit mehr als fünf Jahren im Lande leben, zu legalisieren. Rechtsanspruch auf Aufenthalt statt Gnadenakt, fordert die grüne Migrationssprecherin Terezija Stoisits, die die Anzahl der Betroffenen, die in höchster Unsicherheit leben, auf 18.000 schätzt. RALF LEONHARD