Vom Studentenführer zum Premier

Als Guillaume Soro im Oktober 2002 als Generalsekretär der ivorischen Rebellenbewegung MPCI (Patriotische Bewegung der Elfenbeinküste) auftauchte, sorgte das für Verblüffung: Früher war er ein Mitstreiter von Staatschef Laurent Gbagbo gewesen, den „seine“ Rebellen jetzt bekämpften. Und eigentlich waren die MPCI-Rebellen, die im Vormonat die Nordhälfte der Elfenbeinküste unter ihre Kontrolle gebracht hatten, alle Militärs. Nun tauchte plötzlich als ihr Chef ein exilierter radikaler Studentenführer aus dem Nichts auf. Knapp 5 Jahre später wurde Soro nun Premierminister. Ostern bildete er seine neue Regierung.

Die politische Karriere des 1972 geborenen Soro begann im Umfeld Gbagbos, in der radikalen Untergrundopposition zum Regime des ersten ivorischen Präsidenten Felix Houphouët-Boigny. Gbagbo leitete in den 90er-Jahren die Oppositionspartei FPI (Ivorische Volksfront), Soro führte 1995–98 die Studentenvereinigung Fesci (Schüler- und Studentenbund der Elfenbeinküste). Beide träumten von einer freien, sozialistischen Elfenbeinküste und wurden gemeinsam verfolgt.

Aber in den politischen Wirren der 90er-Jahre neigten viele Radikale zum Traum der ethnischen Reinheit im Vielvölkerstaat Elfenbeinküste: Nur wenn sie unter sich blieben, könnten die „richtigen“ Ivorer frei sein. Soro war dagegen, er verlor, die Fesci spaltete sich. Gbagbo hingegen führte seine FPI auf den Pfad der ethnischen Politik und blieb obenauf. 2000 gewann er eine Wahl, zu der die meisten anderen Oppositionellen nicht zugelassen waren, und betrieb danach die ethnische Ausgrenzung seiner Gegner.

Der Nordivorer Soro floh Anfang 2001 nach Burkina Faso, als angeblicher Drahtzieher eines Militärputschversuchs. Als Freund der mitverdächtigten Militärs kehrte er 2002 in die Elfenbeinküste zurück, als diese in den Aufstand traten. Die Generäle der MPCI brauchten ihn als bekanntes politisches Gesicht. Als 30-Jähriger mutierte er plötzlich zu einem etablierten Politiker mit zusehends fettem Bauch.

Burkina Faso sorgte dieses Jahr dafür, dass Soro und Gbagbo Frieden schlossen. Bei Direktverhandlungen vereinbarten die beiden im März einen Zeitplan für freie Wahlen, Auflösung der Bürgerkriegsarmeen und Wiedervereinigung des Landes. Logischerweise wurde der Rebell dann letzte Woche auch die Nummer zwei des Staates. In Soros neuem Kabinett dominieren jetzt seine und Gbagbos Parteigänger. Nicht ohne Sinn für Ironie: Ein Freund Gbagbos wird Verteidigungsminister, der wichtigste Mitstreiter Soros wird Minister für Kriegsopfer. Auch so kann man Versöhnung ausdrücken.

DOMINIC JOHNSON