Die Elbvertiefung geht den Bach runter

Niedersachsen blockiert die Ausbaggerung des Flusses wegen der Landtagswahl. Gewünschte Schnellbuddelei wird abgelehnt. Hamburgs Senat ist verärgert. Sein Verdacht: Die Nachbarn wollen sich neue Deiche von der Hansestadt bezahlen lassen

VON KAI SCHÖNEBERG
UND SVEN-MICHAEL VEIT

„Konstruktiv“ wollen Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen das laufende Planfeststellungsverfahren über die Elbvertiefung begleiten. So verkündete es Hamburgs Wirtschaftssenator Gunnar Uldall (CDU) nach einem Treffen der Wirtschafts- und Umweltminister der drei Anrainerländer in der Hansestadt. Niedersachsens Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) empfindet dieses Statement als Affront: „Das ist nur die halbe Wahrheit“, sagt seine Sprecherin Jutta Kremer-Heye.

Sander und Wirtschaftsminister Walter Hirche (auch FDP) hätten sich bei dem Ministertreffen am Donnerstag deutlich gegen die von Hamburg gewünschten Sofortmaßnahmen ausgesprochen. „Niedersachsen lehnt vorgezogene Maßnahmen grundsätzlich ab“, sagt Kremer-Heye. Aus dem Plan, bereits im Herbst mit dem Ausbaggern zu beginnen, werde nichts. Niedersachsen werde sein „Einvernehmen“ verweigern.

Zunächst müsse Hamburg bei der Planfeststellung alle „Fragen der Deichsicherheit sorgfältig abarbeiten“, sagt Sanders Sprecherin. Es gehe dabei um einen „Strauß von sehr unterschiedlichen Berechnungen“. Konkreter will sie nicht werden. Doch auch das Gesamtprojekt (siehe Kasten), das offiziell erst in einem Jahr starten soll, stehe in Frage: „Das wird sich noch hinziehen“, sagt Kremer-Heye.

Das wäre „unschön“, heißt es in Hamburger Senatskreisen. Offiziell geht Arne von Maydell, Sprecher der Wirtschaftsbehörde, davon aus, dass auf den vereinbarten Folgetreffen der Minister „wie bisher konstruktiv die Verwirklichung des Projekts verfolgt“ werde. Schließlich sei auch den Nachbarn „die überragende Bedeutung der Elbvertiefung für Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze in der ganzen Region“ klar.

Hinter vorgehaltener Hand aber ist im Rathaus deutlicher Unmut über die niedersächsische Position zu vernehmen. Das sei „eine Blockadehaltung aus Wahlkampfgründen“, so die Vermutung. Die Kommunen an der Unterelbe, in denen Sorge um die Sicherheit der Deiche umgeht, seien „ein Brennpunkt“; da wolle sich vor der Landtagswahl Ende Januar 2008 wohl „niemand die Finger verbrennen“.

Richtig verärgert zeigen sich Senatskreise in der Hansestadt wegen ihres Verdachts, die Niedersachsen wollten sich ihre Zustimmung „erkaufen lassen“. Anders als Schleswig-Holstein hätten die Nachbarn auf dem Südufer „die Sicherheit ihrer Deiche jahrzehntelang vernachlässigt“. Jetzt versuchten sie, sich erforderliche Nachbesserungen mit dem Hinweis auf die Elbvertiefung vom Bund und von Hamburg bezahlen zu lassen. Konkrete Summen seien bislang aber „nicht genannt“ worden.

Die Planfeststellungsunterlagen sehen „vorgezogene Maßnahmen“ vor. Auf einem 60 Kilometer langen Abschnitt zwischen Otterndorf und der Insel Lühesand bei Stade will Hamburg so rasch wie möglich mit den Ausbaggern beginnen. Das mache die Elbe etwa vier bis fünf Monate früher für die Containerriesen tideunabhängig schiffbar und sichere Jobs im Hamburger Hafen. „Es ist davon auszugehen, dass einmal verlorene Ladung nicht wieder zurückgeholt werden kann, wenn die Zufahrtsbedingungen zum Hamburger Hafen zu spät verbessert werden“, heißt es im Antrag.

Gegen diesen Wunsch seiner Parteikollegen an der Alster holzt verbal auch Niedersachsens CDU-Fraktionschef David McAllister. Die vorgezogenen Baggerungen arbeiteten bereits „einen Großteil des Gesamtprojekts ab“. Diese „Elbvertiefung durch die Hintertür“ sei eine „Unverschämtheit“. McAllisters Wahlkreis liegt übrigens an der Elbmündung.

SPD-Fraktionschef Wolfgang Jüttner sieht in Sanders Nein ebenfalls ein „plumpes Wahlkampfmanöver“. Offensichtlich wollten die Regierungsparteien CDU und FDP „die Menschen für dumm verkaufen“, sagte Jüttner, und die Entscheidung über die Elbvertiefung bis nach der Landtagswahl hinauszögern. Sie wollten „unangenehme Wahrheiten lieber erst nach der Wahl verkünden.“ Aber klar: Auch Jüttner sprach sich gestern gegen eine Vertiefung der Elbe aus.

Das taten ebenfalls, wenn auch aus anderen Gründen, erneut die Hamburger Landesverbände des Naturschutzbundes (Nabu) und des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Die Ministerrunde würde schlicht „lügen“, sagten BUND-Chef Manfred Braasch und Nabu-Geschäftsführer Stefan Zirpel. Der Sauerstoffgehalt im Fluss sei entgegen der amtlichen Behauptung „gefährlich gesunken“. Ursache dafür sei die bislang letzte Ausbaggerung im Jahr 1999.

Uldall und seine Ministerkollegen behaupten, dies sei nicht der Fall. Doch „die offiziellen Messdaten“ würden nachweislich das Gegenteil belegen, rechnen die beiden Verbandschefs vor. Wider besseres Wissen würde die norddeutsche Politik „die Auswirkungen der letzten Vertiefung wie auch die Gefahren der nächsten ignorieren“.