: G 7: Atomkraft ist Zukunftsenergie
Mit deutscher Zustimmung empfehlen die Finanzminister der reichsten Länder Atomkraft als Alternative zu Öl und Gas. Die Bundesregierung sieht keinen Widerspruch zum Atomausstieg und will mehr für das Klima tun. Das kostet allerdings
Auf mehr als 1.300 Veranstaltungen in allen Staaten der USA haben Umweltschützer für einen stärkeren Einsatz des Kongresses gegen den Klimawandel demonstriert. Bis 2050 müssten die Kohlendioxidemissionen der Vereinigten Staaten um 80 Prozent sinken. Initiatoren der Proteste waren sechs ehemalige Studenten aus Vermont und der Umweltautor Bill McKibben. Der demokratische Präsidentschaftsbewerber John Edwards forderte, die Industrie für CO2-Ausstoß bezahlen zu lassen. (ap)
VON TARIK AHMIA
Ausstieg aus der Atomkraft? Die sieben reichsten Industrienationen (G 7) wollen davon nichts wissen. Im Gegenteil: Am Wochenende gaben die G-7-Finanzminister der Atomenergie ihren ausdrücklichen Segen als Alternative zu fossilen Energieträgern. Und als probates Mittel im Kampf gegen den Klimawandel. In der Abschlusserklärung ihrer Tagung in Washington heißt es: „Die Diversifizierung (der Energieversorgung) kann fortschrittliche Technologien einschließen wie etwa erneuerbare Energie, Atomkraft und saubere Kohle.“
Der französische Finanzminister Thierry Breton verbuchte die Erklärung umgehend als seinen Erfolg. Frankreich, das 78 Prozent seines Strombedarfs mit Kernspaltung deckt, hat die Atomkraft schon lange im Kreis der G 7 angepriesen.
Bisher waren atomfreundliche Empfehlungen bei G-7-Ministertreffen stets am Widerstand Deutschlands gescheitert, das bis zum Jahr 2020 den größten Teil seiner Atomkraftwerke abschalten will. Die Bundesregierung will jedoch keinen Widerspruch erkennen. „Es gibt keine grundsätzliche Änderung der Haltung der Bundesregierung zur Atomkraft“, sagte der Sprecher des Finanzministeriums, Stefan Olbermann, gestern der taz. Olbermann begleitet die deutsche G-7-Delegation in Washington. „Die Formulierung wurde bewusst so gewählt, dass sich alle Länder darin wiederfinden können.“ Am deutschen Ausstiegsbeschluss werde nicht gerüttelt. Wie der Energiemix individuell aussehe, bleibe jedem Land überlassen.
Deutschland möchte beim Klimaschutz Vorreiter sein und hat sich darauf verpflichtet, seine Emissionen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) bis zum Jahr 2020 um 40 Prozent zu senken. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will auf dem G-8-Gipfel im Juni auch die mächtigsten Industrienationen der Welt auf strenge Klimaziele verpflichten. Ein Entwurf der Abschlusserklärung des G-8-Gipfels sieht nach Angaben der Nachrichtenagentur AP vor, die CO2-Emissionen bis 2050 weltweit im Vergleich zum Jahr 1990 zu halbieren. Nach Aussagen von AP entspricht das jedoch nicht dem derzeitigen Verhandlungsstand.
Für den Klimaschutz sind weltweit Milliardeninvestitionen nötig. Nach Berechnungen des Umweltbundesamtes (Uba) muss Deutschland bis zu 11 Milliarden Euro im Jahr aufwenden, um seine Klimaziele zu erreichen, berichtet der Spiegel. Der britische Ökonom Nicholas Stern hatte zuletzt errechnet, dass Deutschland jährlich rund 23 Milliarden in Klimaschutzmaßnahmen investieren müsse, um seinen Anteil zum globalen Klimaschutz zu leisten.
In der Uba-Studie fordern die Experten, in vielen Lebensbereichen umzulenken. „Abzuschaffen sind die Wohnungsbauprämie und die Arbeitnehmersparzulage für Bausparverträge“, heißt es. Damit soll der Trend zum Neubau immer größerer Wohnungen gestoppt werden. Besitzer von schlecht isolierten Immobilien müssten außerdem mit höheren Energiesteuern rechnen. Auch für den Verkehrssektor fordern die Experten Änderungen. So soll die Maut für Lastwagen auf alle Bundesstraßen ausgedehnt und kräftig angehoben werden. Auch Flugbenzin sollte nicht mehr steuerfrei sein: Kerosin soll mit dem gleichen Satz wie Benzin an der Zapfsäule besteuert werden.
Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) befürwortete am Wochenende, Flugreisen mit einer Ticketabgabe zu belasten. „Mit dem Geld sollten Entwicklungsländer unterstützt werden“, so Gabriel. In Frankreich gibt es die Flugticketabgabe seit Sommer 2006. Je nach Flugdistanz beträgt sie 1 bis 40 Euro je Flugschein.