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Archiv-Artikel

Deutsche schlampen zu viel in der Küche

Lebensmittelvergiftungen entstehen zumeist durch mangelnde Hygiene, sagt das Bundesinstitut für Risikobewertung

BERLIN taz ■ Pestizide in Paprika und Weintrauben, giftiges Acrylamid in Pommes, Nikotin in Eiern: Im Schnitt gibt es alle drei Monate in Europa einen Lebensmittelskandal. So manchem Verbraucher ist dabei der Appetit vergangen. Das muss nicht sein. Risiken seien nur „gefühlt“ und die Lebensmittel „besser und sicherer als je zuvor“, sagte Andreas Hensel, der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, gestern. Ein echtes Risiko hingegen sei der Verbraucher.

Denn die meisten Probleme seien hausgemacht. Der Verbraucher schlampt in der Küche, meint Hensel. Und das, obwohl es einen Boom des guten Essens und Kochens im Fernsehen gebe. „Viele sehen den Köchen vom Sofa aus gerne zu, über Hygiene lernen sie aber nichts.“ So erfreuten sich Keime bester Gesundheit. Salmonellen stecken im rohen Hack fürs Mettbrötchen oder im Ei für das Tiramisu. Diese Erreger wie auch Noro-Viren oder Escherichia Coli führen zu schweren Darminfektionen. „Jedes Jahr müssen darum eine Million Deutsche zum Arzt“, sagt Hensel. Chemie im Essen sei dagegen das kleinere Problem.

Was tun? Die Direktorin des Europäischen Instituts für Gesundheit und Verbraucherschutz im italienischen Ispra, Elke Anklam, rät: „ab und zu Kühlschrank putzen“ und „rohes Ei oder Fleisch nur mit Papier wegwischen, das sofort im Müll landet“. Auch sie meint, dass Lebensmittel heutzutage eine gute Qualität hätten: „Der Verbraucher kann sich auf die Kontrollen und Standards verlassen.“

Er müsse sich zum Beispiel nicht vor Acrylamid in Chips fürchten, erklärt Anklam. Der Stoff entsteht beim Frittieren, Backen oder Rösten. „Ungesünder als das Acrylamid ist das Fett in den Chips“, meint die Expertin. Darum empfiehlt sie eine „ausgewogene Ernährung“.

Der Toxikologe Hermann Kruse von der Universität Kiel indes warnt, Acrylamid sei „genauso gefährlich wie ein Keim“. Die Menschen fielen zwar „nicht gleich um, wenn sie einmal Chips essen“. Bei regelmäßigem Verzehr sammele sich die Substanz jedoch im Körper an – und könne dann „Krebs auslösen“. Das zeigten Studien mit Tieren. Auch andere Schadstoffe wie Ackergifte hätten im Essen nichts zu suchen.

Rückstände von Mitteln gegen lästige Insekten oder Schimmelpilze sind in Maßen erlaubt. Doch immer wieder weist etwa Greenpeace verbotene Mengen in Obst und Gemüse nach. Der Chemieexperte der Umweltorganisation, Manfred Krautter, sagt: „8 Prozent der Proben aus dem deutschen Supermarkt sind zu stark mit Pestiziden belastet.“

Das Problem könnten „die Kunden auch nicht mit Hygiene lösen“. Stattdessen müsse sich die Landwirtschaft ändern. Die Bauern müssten künftig „mit weniger Gift arbeiten“. Toxikologe Kruse warnt davor, Schadstoffe im Essen zu verharmlosen. Die Angst der Verbraucher sei –„berechtigt“. HANNA GERSMANN