„Dieses Deutschland ist mit der NS-Zeit nicht im Reinen“

Ministerpräsident Günther Oettinger zeigt sich zerknirscht und rudert zurück, die Partei verzeiht – aber die Zivilgesellschaft ist sauer

Der Fall Günther Oettinger hat Persönlichkeiten der Zivilgesellschaft empört. Die taz hörte sich um – bevor der Ministerpräsident von Baden-Württemberg alles irgendwie zurücknahm:

„Oettinger hat nichts gelernt. Dieses Deutschland ist im Jahr 2007 mit seiner NS-Vergangenheit nicht im Reinen.“

Ralph Giordano, Schriftsteller

„So wie Herr Oettinger gestrickt ist, wird er ‚getragen‘ von seiner Südwest-Partei. Ein Rücktritt wäre eine angemessene Reaktion auf seine beschämende Trauerrede gewesen.“

Klaus Staeck, Präsident der Berliner Akademie der Künste

„Man kann inzwischen als Deutscher offiziell ungeheuerliche Dinge sagen. Erheben daraufhin Juden ihre Stimme, behauptet man, missverstanden worden zu sein.“

Viola Roggenkamp, Schriftstellerin

„Es ist eine Sauerei, dass Oettinger Filbinger quasi zu einem Widerstandskämpfer macht – das war ein Schlag ins Gesicht der wirklichen NS-Gegner. Ich bin fassungslos. Oettingers Rede war der Versuch, in der rechten Szene zu fischen, obwohl doch mittlerweile klar ist, dass dies nur eines bringt: Es hilft den Rechten.“

Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung

„Ich habe damals vor dem Reichstag protestiert, als Filbinger als Wahlmann der CDU an der Wahl von Bundespräsident Köhler teilnahm. Meine Genossen vom NS-Widerstand sagen mir, dass die Affäre Oettinger typisch ist für den Geist, den es nach 1945 in der BRD gab. Die alten Nazis gerade in der Justiz blieben in Amt und Würden – und sie haben sich ihre Oettingers herangezogen.“

Kurt Goldstein, Spanienkämpfer und Auschwitzhäftling

„Filbinger war kein einfacher Mitläufer. Nicht, was er im Inneren dachte, ist entscheidend, sondern das, was er getan hat. Er hat auch nach Kriegsende noch NS-Urteile gefällt. Das läuft alles auf die unsägliche Behauptung hinaus, dass das, was damals Recht war, heute nicht Unrecht sein kann.“

Iring Fetscher, Politologe TAZ