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Archiv-Artikel

Trotz Proteste: Genmais-Aussaat in Bokel

Landwirtschaftskammer-Präsident lässt Genmais in Bokel aussäen. Gutachten warnt vor ökologischen Folgeschäden. Den Gen-Versuch in Adelheidsdorf brach die Kammer dagegen ab – offiziell wegen zu geringer Sicherheitsabstände

Trotz massiver Proteste von Bevölkerung und Verbänden hat der Präsident der Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Fritz Stegen, am Dienstag auf seinem Acker direkt neben seinem Hof in Bokel (Landkreis Cuxhaven) gentechnisch veränderten Mais aussäen lassen. Auf dem mehrere Hektar großen Feld legten Versuchstechniker nach Informationen der Bürgerinitiative „Kein Genmais in Bokel“ für sechs Gen- und weitere 36 konventionelle Maissorten jeweils vier je 20 Quadratmeter große Versuchs-Pflanzungen an.

Etwa 50 Genmais-GegnerInnen versammelten sich zu einer Spontan-Demo. Der Bioland-Landesverband Niedersachsen/Bremen forderte Stegen auf, den Mais unterzupflügen. Er verwies auf einen ähnlichen Versuch in Adelheidsdorf im Landkreis Celle, den die Landwirtschaftskammer jetzt nach massiven Protesten abgebrochen habe.

Stegen und das Bundessortenamt, das den Anbauversuch in Auftrag gegeben hat, halten diesen für unbedenklich und rechtlich zulässig. Das gentechnisch veränderte MON-810-Konstrukt von Monsanto, das in allen sechs zu testenden Sorten eingebaut ist, sei 1998 von der EU zugelassen worden. Ein im Auftrag der Bundestagsfraktion der Grünen erstelltes Gutachten des Instituts für Biodiversität Netzwerk e.V., das der taz vorliegt, listet dagegen reihenweise „neue wissenschaftliche Erkenntnisse hinsichtlich ökologischer und gesundheitlicher Risiken“ für ebenjene Mais-Linie auf.

Dem Gutachten zufolge, das in den letzten Jahren erstellte Studien auswertet, ist der gentechnisch veränderte Pollen insbesondere für Schmetterlinge, aber auch für andere Insekten und Pflanzenfresser gefährlich. Das von der Pflanze erzeugte Bt-Toxin lässt sich demnach noch Monate nach der Ernte im Boden nachweisen. Das gentechnisch veränderte Protein selbst fanden ForscherInnen noch im Enddarm von mit Genmais gefütterten Tieren. Bei Mäusen trat es sogar in Zellen neugeborener Nachkommen wieder auf, bei Nutztieren ließen sich „Fragmente von in vielen Kopien vorliegenden Maisgenen in Blut-, Darm-, Leber-, Milz- und Nierenzellen, teilweise auch in Muskel-, Ovarien- und Milchzellen nachweisen“. Toxikologische Studien, die länger als 90 Tage laufen, wurden für MON-810 „offenbar nicht durchgeführt“, kritisieren die GutachterInnen. Insgesamt hätten die Studien eine „Asymmetrie in Richtung negativer Effekte“ gezeigt, die „zu zahlreich sind, als dass sie wegdiskutiert werden könnten“. ARMIN SIMON