So sehen Populisten aus
Nationalstolz in Sachsen

LANDTAGE Ein wenig Mittelstand, etwas Ostalgie, ein paar Skurrilitäten – und einiges Gedankengut von rechts: 12 von 36 Parlamentsneulingen der AfD

■ Anfang September eroberte die AfD ihr erstes Landesparlament: Mit 9,7 Prozent zog sie in den Sächsischen Landtag ein, holte 14 Mandate. Vor gut einer Woche folgten dann Thüringen (10,6 Prozent) und Brandenburg (12,2 Prozent). In beiden Ländern sitzen nun je elf AfD-Abgeordnete – allesamt Parlamentsneulinge. (ko)

Mario Beger: Der 58-Jährige war in Sachsen Listenzweiter hinter Frontfrau Frauke Petry – und blieb weithin unsichtbar. Der Natursteinhändler will – wenig überraschend – mehr für den Mittelstand und die Handwerker tun. In der DDR wurde der wegen eines Fluchtversuchs zu einer Haftstrafe verurteilt. Heute klagt er auf seinem Facebook-Profil über das „BRD-Regime“ und bekennt sich zu seinem Nationalstolz.

Silke Grimm: Die Busunternehmerin lebt in einer der deutschen AfD-Hochburgen: in Zittau, unweit der tschechischen Grenze. Dort fordert die 47-Jährige die Wiedereinführung von Grenzkontrollen zum Nachbarland, dazu die bessere Förderung von „kleinen Dienstleistungsunternehmen“ (wie ihres) und die Rückkehr von „Polikliniken“ (wie früher), außerdem Ärztezentren nach DDR-Vorbild. Silke Grimms Spezialforderung: Statt eines „Wolfsmanagement“ soll es künftig ein „Wildtiermanagement“ geben.

Uwe Wurlitzer: Hinter Frauke Petry die zentrale Figur der sächsischen AfD. Der groß gewachsene Leipziger Immobilienmakler, von einigen „Bulldogge“ genannt, war bis 2009 bei der CDU, unter anderem Mitarbeiter eines Union-Abgeordneten. Heute ist er Geschäftsführer der sächsischen AfD, schmiss die letzten Wahlkämpfe. Auch steht er der Leipziger AfD vor – die zuletzt damit auffiel, dass sie gegen einen Moscheebau in der Stadt Stimmung machte. Wurlitzers Kommentar: Religionsfreiheit sei „kein Grundrecht auf Großmoscheen“.

Jörg Urban: Der Dresdner ist Geschäftsführer der Grünen Liga in Sachsen – jetzt nicht für die Grünen, sondern für die Alternative für Deutschland im Parlament. Die Partei sei schließlich auch gegen Gentechnik, erklärt der dreifache Vater und Wasserbau-Ingenieur. Windkraft lehnt er hingegen ab („zerstört unsere Natur“, „getrieben von Gewinninteressen“), die Energiewende sowieso (ist nicht bezahlbar). In Dresden hat er sich als Rebell gegen die Waldschlösschenbrücke einen Namen gemacht: Urban versuchte zum Schutz der Elbwiesen einen Abriss der Brücke einzuklagen – und unterlag. KO

Thüringische Mission

Stephan Brandner: Der Rechtsanwalt aus Gera mag es gern markig. Im Wahlkampf meckerte der frühere Westfale über „Denkverbote“, die „Politikerkaste“ und „Wächter der Political Correctness“. Die CDU verließ er, weil diese „ihre Ideale verkauft“ habe. Heute ist er Sprecher der Thüringer AfD. Deutsch sprechen ist ihm auch sonst wichtig: Brandner gehört der „Stiftung deutsche Sprache“ an. Im Boxclub Wismut Gera macht er außerdem den Rechtswart. Sein Ziel für die Fraktion: bis Jahresende „schlagkräftig“ aufgestellt sein. „Das wäre schon viel.“

Wiebke Muhsal: Die studierte Juristin und dreifache Mutter ist eine von nur zwei Frauen in der Thüringer Fraktion der AfD. Die 28 Jahre alte Jenaerin war erst nach der jüngsten Bundestagwahl vor einem Jahr zur AfD gestoßen. Im Landtag will sie sich nun in erster Linie um die Bereiche Bildung und Familie kümmern, etwa für den Erhalt des Landeserziehungsgeldes – das bekommen auch Eltern, die ihre Kinder zu Hause betreuen. So wie Muhsal.

Thomas Rudy: War mal Koch, Konditor und „Chef Patissier“, heute ist er Immobilienhändler. Will sich um Wirtschaftspolitik kümmern und die Abwanderung aus Thüringen stoppen. Um Zuwanderung auch: Auf seinem Facebookprofil warnt er vor „grünen Islamisierern“ und „Verblödungsmedien“. Den britischen Rechtspopulisten Nigel Farage nennt er einen „tollen Politiker“.

Björn Höcke: Höcke ist Thüringer Spitzenkandidat und designierter Fraktionschef. Der Geschichts- und Sportlehrer hat vier Kinder und neigt in seinen Reden zu mächtig Pathos: Seine AfD wähnt er auf „historischer Mission“. In der Partei gehört er zum rechten Flügel. Es könne nicht sein, sagte er, dass man „arbeitslose Ausländer wie arbeitslose Deutsche behandelt“. Und wer den Muezzin hören wolle, solle ins Morgenland fahren. Als Erstes will der 42-Jährige nun den Thüringer Landtag verkleinern: von 91 auf 62 Sitze. Sonst hält sich Höcke offen, mal mit den Linken, mal mit der CDU zu stimmen. In seinem Heimatdorf Bornhagen holte die AfD bei der Wahl ihr landesweites Spitzenergebnis: 36,5 Prozent. KO

Markiges aus Brandenburg

Birgit Bessin: Gab der Ostalgie der AfD ein Gesicht. Die frühere Leiterin eines Jugendvereins warb für einen „Haushaltstag für Familien mit Kind“ – den gab es schon in der DDR. Im Landtag will sie sich folgerichtig für Familienpolitik einsetzen: für kostenlose Kitas und ein dreigliedriges Schulsystem. Bessin ist in der Brandenburger AfD-Fraktion nur eine von zwei Frauen. Ihre Wähler will sie über Facebook auf dem Laufenden halten. Dort bemerkte sie im Juli ganz im Sinne der Partei: „Deutschland ist Weltmeister, nicht die EU“.

Andreas Galau: Der 46-Jährige wandelt durch die Parteien. In den 80ern in der CDU, kurz vor der Wende bei den Republikanern, dann mehr als zwanzig Jahre bei der FDP – heute für die AfD im Landtag. Vor der Wahl kündigte er an, „Lieblingsprojekte linker Sozialromantik“ „(Gender-Religion“, „Einheitsschule“) „drastisch“ zu kürzen und das Geld in Kriminalitätsbekämpfung zu stecken. Die markigen Worte seien dem Wahlkampf geschuldet gewesen, verteidigt sich Galau nun. Tatsächlich wolle er sich für den ländlichen Raum einsetzen: für Einkaufsmöglichkeiten und Internet in Dörfern.

Steffen Königer: Früher Mister Brandenburg (1995), heute Fliesenleger und Leiter einer Surfschule. Politisch kommt er von rechts außen: Ende der 90er kandidierte er im Land für den „Bund Freier Bürger“. Den stufte der Verfassungsschutz als nationalliberal bis rechtsextrem ein. Später versuchte er die Schillpartei in Brandenburg zu etablieren, wurde Redakteur der Rechts-außen-Postille Junge Freiheit. Die evangelische Kirche verließ er wegen ihrer liberalen Haltung zu Abtreibungen – und wurde Katholik. Im Landtag will er sich für „mehr Allgemeinbildung“ an den Schulen einsetzen und weniger „Überbetonung“ der NS-Zeit. Letzteres freilich nur, damit sich die Jugend „nicht belästigt von dem Thema abwendet“.

Stefan Hein: Kann bestens mit Brandenburgs AfD-Spitzenmann Alexander Gauland – ist er doch der Sohn von Gaulands Lebensgefährtin Carola Hein. Zehn Jahre war der 30-jährige PR-Berater bei der CDU, jetzt bedient er für die AfD die liberale Flanke: Hein will die Gentrifizierung in seiner Heimatstadt Potsdam eindämmen und wieder mehr Finanzhoheiten für die Kommunen. KO