: Stoff für Gerichte
KOPFBEDECKUNG Für Lehrerinnen verboten, für Arzthelferinnen erlaubt: Das Tuch beschäftigt seit 15 Jahren Justiz und Politik
ERFURT taz | Es begann in Baden-Württemberg. Dort verbot vor rund 15 Jahren das Kultusministerium der deutsch-afghanischen Lehrerin Fereshta Ludin, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen. Die Lehrerin klagte durch alle Instanzen und erwirkte 2003 ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts.
Karlsruhe zeigte damals zwei zulässige Möglichkeiten zum Umgang mit dem Kopftuch bei Lehrkräften auf: Entweder die Schulpolitik akzeptiert das Tuch, damit die sichtbare religiöse Vielfalt für die Einübung von Toleranz genutzt werden kann. Die Politik könne aber auch versuchen, das Konfliktpotenzial zu vermeiden, indem sie religiös motivierte Kleidung bei Lehrkräften generell und präventiv verbietet. Für die Verbotslösung sei aber jeweils ein Landesgesetz erforderlich, außerdem müssten dabei alle Religionen gleich behandelt werden.
Seitdem haben fast alle westdeutschen Bundesländer gesetzliche Kopftuchverbote für Lehrkräfte beschlossen. In den Gesetzen ist aber nicht von „Kopftüchern“ die Rede, vielmehr werden „religiöse Bekundungen“ und Ähnliches untersagt. In Baden-Württemberg gilt ein ähnliches Verbot auch an Kindertagesstätten, in Berlin im gesamten öffentlichen Dienst.
Noch in diesem Jahr will das Bundesverfassungsgericht über den Fall einer Schulsozialpädagogin aus Nordrhein-Westfalen entscheiden, die ihr Haar mit einer Mütze bedeckte. Auch das wurde von der Schulverwaltung nicht geduldet. 2009 entschied das Bundesarbeitsgericht, dass auch eine Mütze eine religiöse Bekundung sei, wenn sie erkennbar als Ersatz für ein islamisches Kopftuch getragen wird. Dagegen erhob die Frau Verfassungsbeschwerde.
In der Privatwirtschaft ist die Freiheit größer. Hier muss der Arbeitgeber grundsätzlich die Glaubensfreiheit der Beschäftigten achten. Kopftuchverbote sind nur möglich, wenn es zu „nicht hinnehmbaren Störungen“ kommt, so das Bundesarbeitsgericht 2002 im Fall einer Parfümerieverkäuferin. Die bloße Befürchtung von Umsatzeinbußen durch intolerante Kunden genüge nicht.
Seit 2006 verbietet auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz im Arbeitsleben die Diskriminierung aufgrund der Religion. 2012 billigte das Arbeitsgericht Berlin einer Kopftuchträgerin Schadenersatz zu, weil ein Zahnarzt sie nicht als Zahnarzthelferin ausbilden wollte. Die Richter sagten, eine Frau mit Kopftuch sei „nicht verkehrt, nur anders“. CHRISTIAN RATH