: Antrag gegen Schulempfehlung
SCHULE GAL stellt Antrag, die Gymnasialempfehlung abzuschaffen. Die hatte die CDU im Januar wieder eingeführt. SPD will aktuelle Form überarbeiten
Alle Viertklässler der Stadt erhielten Ende Januar einen Zettel. Auf dem war angekreuzt, ob sie dem „achtjährigen Gymnasium gewachsen“ sind oder aber eine Stadtteilschule besuchen sollten. Diese Form einer Schulformempfehlung hatte die alte Bürgerschaft erst im Herbst einstimmig abgeschafft. Doch im Wahlkampf führte der Interims-Schulsenator Dietrich Wersich (CDU) sie wieder ein.
„Das war pädagogisch falsch und hat zu einer Verunsicherung der Eltern geführt“, kritisiert die GAL-Schulpolitikerin Stefanie von Berg. Schulstudien wie „Kess 8“ belegten, dass Lehrer diese Entscheidung gar nicht zuverlässig treffen können und sie zudem sozial ungerecht ist. Die GAL will nun am Donnerstag in der Bürgerschaft beantragen, die Schulformempfehlung wieder abzuschaffen. Stattdessen bliebe nur der darüber stehende Lernentwicklungsbogen, der differenzierter die Fähigkeiten eines Kindes beschreibt.
Der Antrag wird von Lehrerkammer, Elternkammer, GEW und dem Grundschulverband unterstützt. „Der Zettel signalisiert, die schlechten kommen auf die Stadtteilschule und die besseren aufs Gymnasium“, sagt GEW-Chef Klaus Bullan. Diese Aufteilung sei noch „verschärfter“ als die bis 2009 gültige Fassung. In der wurde den leistungsstarken Kindern alternativ zum Gymnasium auch die damalige Gesamtschule empfohlen.
Wersichs Verordnung sei „ohne Not“ gekommen, kritisiert die neue Elternkammer-Vorsitzende Sabine Lewerenz-Kollemann. Im Dezember hatten die Lehrer bereits Lernentwicklungsgespräche mit den Eltern geführt. „Alles, was dort erzielt worden ist, ist dahin mit diesem Kreuz.“ Viele Eltern, die sich für eine Stadtteilschule entschieden hatten, hätten es sich nach Erhalt des Kreuzes noch einmal überlegt, berichtet Stefan Kauder vom Grundschulverband. „Die denken, wenn wir die Möglichkeit schon haben, sollten wir unser Kind an die bessere Schule schicken.“
Doch laut Anspruch der Politik sollen Gymnasium und Stadtteilschule zwei gleichwertige Säulen sein, die beide zum Abitur führen. „Es geht um die pädagogische Haltung“, sagt Stefanie von Berg. Ein Stempel für zehnjährige befriedige vielleicht Eltern, die ihr Kind als Projekt sehen. Doch bekommen Kinder diesen nicht, sei dies sehr belastend und führe zu negativen „Self-fulfilling Prophecies“.
Die SPD-Fraktion bringt einen eigenen Antrag ein. „Wir wollen keine Gesetzesänderung wie die GAL“, sagt SPD-Schulpolitiker Lars Holster. Aber der Wersich-Bogen sei „nicht gelungen“. Man müsse deutlicher herausstellen, dass die Stadtteilschule „für jedes Kind die richtige Wahl ist“.
Denkbar wäre, dass den leistungsstarken Kindern wie früher zusätzlich zum Gymnasium die Stadtteilschule empfohlen würde. Für von Berg noch keine Lösung. „Dann gucken die Kinder: Habe ich ein oder zwei Kreuze?“
KAIJA KUTTER