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Archiv-Artikel

Was zieht mehr? Lesben oder Schalke 04?

Wie neun Mitglieder der taz-Genossenschaft einen Tag lang die taz nrw übernahmen – und ihre Zeitung machten

Düsseldorf. Kurfürstenstraße. Das taz-Büro. Freitag 20.4.2007, 9.00 Uhr. Arbeitsbeginn der NRW-Redaktion. Doch die sieht diesmal anders aus. Neun Mitglieder der taz-Genossenschaft übernehmen für einen Tag den Job des Zeitungmachens: links, kritisch und unabhängig. Das Protokoll einer außergewöhnlichen Produktion:

9.30 Uhr: Beginn der Redaktionssitzung. Die neun taz-Genossen (Alter zwischen 15 und 53) sitzen an einem langen Konferenztisch. Vier Seiten taz für Nordrhein-Westfalen müssen gefüllt werden. Die Genossen essen belegte Brötchen und beraten, wie sie arbeiten wollen. Wählen wir uns einen Redaktionsleiter für einen Tag? „Nein, wir machen das basisdemokratisch“, sagt taz-Genosse Jürgen Brunsing. Konsens.

10.27 Uhr: Nach ausführlicher Debatte einigen sich die Genossen auf die Aufmacher-Geschichte: Eine Story über die Gazprom-Schalke-Connection soll es werden. „Das interessiert die meisten Leute in NRW“, sagt Genosse Peter Vosswinkel. Die Runde nickt. Später am Tag rückt aber ein Bericht über ausgeladene Lesben und Schwule bei einem Kongress des NRW-Familienministeriums auf die Seite 1 – die Schalke-Story war zu lang geworden und erscheint auf Seite 3.

11.03 Uhr: Die Genossen-Redakteure sitzen an ihren PC-Arbeitsplätzen, recherchieren und telefonieren – assistiert von der professionellen NRW-Redaktion, die sich natürlich keinen freien Tag genommen hat. News-Room-Atmosphäre – die Kaffee-Maschine läuft auf Heavy Rotation.

12.44 Uhr: Genosse Manni Evers sitzt am Telefon und versucht seit zwei Stunden eine Stellungnahme vom NRW-Innenministerium zu bekommen. Keine Chance. Die Behörde will seine Recherchen über allzu üppige Sitzungsgelder für Lokalpolitiker nicht kommentieren. Journalistenalltag – die Story läuft trotzdem.

16.27 Uhr: Die Berichte stehen, es beginnt der Feinschliff. Redigieren und Korrekturlesen. Mehr Kaffee. Die taz-Maschine läuft. Gutes Gefühl bei den taz-Genossen, als sie die fertige Seite 1 sehen. Debatte über die Headline. Man einigt sich: „Laschet bleibt hetero.“ Fertig. Die Druckerei wartet schon.

17.15 Uhr: Feierabend. Die Eintages-Redaktion bekommt zum Dank ihr taz-Kit: Ein Carepaket aus taz-Tasse, taz-presso Kaffee und anderen Devotionalien. „Ich hätte es mit fast noch stressiger und chaotischer vorgestellt“, sagt Genossin Gabi Evers. Mit der U-Bahn fährt die Crew in die Altstadt. Ein letztes Arbeitsessen einer einmaligen taz-Redaktion. MARTIN TEIGELER