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Archiv-Artikel

Die Natur ist nicht Programm

UMWELT In ihren Wahlprogrammen blenden die Parteien den Naturschutz fast vollständig aus, kritisieren Verbände. Dabei gebe es in der Stadt einiges zu tun

Vier Monate vor der Abgeordnetenhauswahl kritisieren Berliner Umweltverbände, dass der Naturschutz in den Wahlprogrammen der Parteien zu kurz kommt. „Das Thema ist in den Programmen viel zu wenig bis gar nicht vorhanden“, sagt Torsten Hauschild, Vorsitzender des Naturschutzbundes Nabu. Dabei gebe es genug Beispiele, wo die Stadt Nachholbedarf habe.

Zum Beispiel beim Flächenverbrauch: „In Berlin wird deutlich mehr Fläche versiegelt als entsiegelt“, so Hauschild. Eine Versiegelung bedeutet, dass der Boden beispielsweise bebaut oder geteert wird, dort also nichts mehr wachsen kann. Bis 2030 sollen nur noch so viele Flächen versiegelt werden, wie auch wieder dem Grün überlassen werden. Das hat das Abgeordnetenhaus vor fünf Jahren mit der lokalen Agenda 21 beschlossen. Eine Strategie, um den Verbrauch zu reduzieren, sei aber nicht zu erkennen, kritisieren die Verbände. „In den Plänen für die Nachnutzung des Flughafens Tegel zeichnet sich derzeit eine Verdoppelung der versiegelten Fläche ab“, sagt Hauschild. Es gebe ein Vollzugsdefizit: Auch wenn es entsprechende Beschlüsse oder Grundlagen gebe, werde nicht immer gehandelt. Ähnlich sieht es Manfred Schubert von der Landesarbeitsgemeinschaft Naturschutz (BLN): „Die Instrumente sind da, aber es fehlen die Leute, die es umsetzen.“

Zum Beispiel in den Grünflächenämtern. Die klagen seit Jahren über zu wenig Geld und Personal. Es fehlt nicht nur das Geld für neue Pflanzen: Einige Bezirke lehnen sogar Baumspenden ab, weil sie nicht genügend Ressourcen haben, um sich um die Pflege zu kümmern. Berlinweit fehle etwa ein Drittel der Personals, sagt Andreas Jarfe, Landesgeschäftsführer des BUND.

Ihre Forderungen haben BUND, Nabu, Grüne Liga, BLN und das Ökowerk in einem „11-Punkte-Plan“ zusammengefasst. Dort geht es nicht nur um Flächenverbrauch und Schutzgebiete, sondern auch um Dachbegrünung, eine saubere Spree und urbane Landwirtschaft. Gerade die Dachbegrünung ist es, die dann doch in einigen Parteiprogrammen zu finden ist: SPD und Linkspartei haben sie aufgenommen. Die „Hof-, Fassaden- und Dachbegrünung“, heißt es unisono, müsse ausgeweitet und gefördert werden.

Kurz abgehandelt

Sonst werden Naturschutzfragen in den Wahlprogrammen tatsächlich eher kurz abgehandelt. Beispielsweise bekennen sich nur SPD und Grüne zur Reduzierung des Flächenverbrauchs – was bei der SPD nicht ganz schlüssig klingt angesichts der Tatsache, dass an anderer Stelle ein klares Ja zur Verlängerung der Autobahn A 100 steht.

SPD, Grüne und Linke wollen die Bürger beim Naturschutz stärker einbinden – auch das eine Forderung der Verbände. „Es muss Freiräume geben, schließlich ist Guerilla Gardening auch ein wichtiger Beitrag“, sagt Jarfe. Grüne und SPD wollen urbane Landwirtschaft unterstützen und mehr Straßenbäume. Am wenigsten Naturschutz steht im Programm der CDU: Die Verlängerung der A 100 gilt dort als „aktive Umweltschutzmaßnahme“ und die „Natur“ kommt vor allem im Wort „natürlich“ vor.

Hartwig Berger vom Ökowerk argumentiert, dass mehr Naturschutz die Stadt auch attraktiver machen würde – zum Beispiel für Besucher. Und das wäre ja im Interesse des Senats. SVENJA BERGT