Deutschland unter Strom

Der deutsche Emissionshandel begünstigt neue Kraftwerke. Viele ausländische Anbieter bauen

VON MORITZ SCHRÖDER

Im deutschen Stromnetz wird der Platz eng. Denn außer den deutschen Stromkonzernen wollen zunehmend ausländische Anbieter Kraftwerke in Deutschland bauen. Unter den über 40 Neubau- und Ausbauvorhaben der Energieerzeuger in den kommenden Jahren sind auch rund zehn Projekte von ausländischen Anbietern, wie aus einer Liste der Bundesnetzagentur hervorgeht. „Es gibt eine richtige Bugwelle von Projektvorschlägen“, sagt Jürgen Tzschoppe, Anlageberater des norwegischen Stromunternehmens Statkraft.

Bisher handelt Statkraft in Deutschland nur mit Strom. Ende dieses Jahres sollen auch die ersten beiden Kraftwerke des Anbieters ans Netz gehen: eine 800 Megawatt (MW) starke Gaskraftanlage im rheinischen Hürth und ein weiteres 400-MW-Gaskraftwerk in Herdecke, zusammen mit dem Betreiber Mark-E. Die spanische Iberdrola plant nach der Kartellamtsliste ebenfalls zwei Gaskraftwerke mit insgesamt 2.100 MW. Das belgische Unternehmen Electrabel, bislang nur Elektrizitätshändler, überlegt sogar, drei 800-MW-Steinkohleanlagen in Norddeutschland zu bauen.

Für ausländische Investoren ist Deutschland einerseits wegen der hohen Energienachfrage interessant: „Deutschland ist der größte Markt für Energiehandel auf dem Kontinent“, sagt Tzschoppe von Statkraft. Doch auch der Handel mit Emissionszertifikaten, der von den EU-Mitgliedsstaaten 2005 umgesetzt wurde, brachte in Deutschland Vorteile für Kraftwerksbetreiber. Darin gab es für Neuanlagen 14 Jahre lang keine Minderungsverpflichtung beim Schadstoffausstoß. „Damit hatten die Anlagenbetreiber Planungssicherheit“, sagt ein Sprecher des Beratungsunternehmens Fichtner in Stuttgart. Während etwa in England und Irland bislang ein Teil der Zertifikate versteigert wird, werden sie in Deutschland noch umsonst verteilt. Ob das auch in der nächsten Handelsperiode ab 2008 so bleibt, ist noch offen.

Mit den Regeln zur zweiten deutschen Handelsperiode, die vergangene Woche beschlossen wurden, sollen Kohleanlagen nach wie vor mehr Kohlendioxid ausstoßen dürfen als Gaskraftwerke, was Umweltverbände kritisieren. „Ein Vorteil im deutschen Modell“, findet Tzschoppe. In England gebe es etwa nur einen Grenzwert für Gas und Kohle, was das emissionsärmere Gas begünstige. Alexa Hermann, Sprecherin von Electrabel, sagt: „Wir erwarten stabile Rahmenbedingungen für die Kohle.“

Wegen der steigenden Anzahl von Kraftwerken und des Wachstums der Windenergie rechnet der Elektrizitätsverband VDEW mit einem nötigen Ausbau der Stromnetze allein im Hochspannungsbereich von mindestens 850 Kilometern bis 2015. Und auch auf Engpässe im deutschen Netz stellt man sich ein: Wenn das Netz überlastet ist, sollen die freien Kapazitäten in Zukunft unter den Stromanbietern versteigert werden.