: Klimaschutz ist möglich
VON STEPHAN KOSCH
Heute stellt Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) den Klimaschutzplan der Bundesregierung im Parlament vor. Danach sollen die Kohlendioxid-Emissionen in Deutschland im Vergleich zu 1990 bis 2020 um 40 Prozent sinken – aber nur wenn die EU sich auf eine Reduktion um 30 Prozent verpflichtet. Die EU wäre dazu bereit, wenn die anderen Mitgliedstaaten des Kioto-Protokolls auch mitmachen, ansonsten sollen es immerhin 20 Prozent sein. In diesem Falle gilt für Deutschland ein Reduktionsziel von 30 Prozent. Verwirrt? Dann vergessen Sie die ganzen „Wenn, dann“-Ziele und merken Sie sich: Es wird so oder so schwer. Zwar sanken die Emissionen in Deutschland bis 2003 bereits um 18,3 Prozent, allerdings vor allem durch den Wegfall der Industrie im Osten. Gegenwärtig steigen die Emissionen wieder an. Deshalb muss die Bundesregierung schnell handeln. Einige Themen, wie zum Beispiel die Obergrenzen für den CO2-Ausstoß von Autos, können nur auf EU-Ebene verhandelt werden. Doch es bleiben noch genügend Möglichkeiten für Gabriel und seine Kabinettskollegen, Deutschland klimafreundlicher zu machen. Wie? Hier ein paar Vorschläge:
Kraft-Wärme-Koppelung
Rund 40 neue Kohlekraftwerke sind derzeit in Deutschland in Planung. Zwar wird jedes von ihnen weniger Kohlendioxid in die Luft blasen als bisherige Anlagen. Dennoch bindet sich Deutschland mit den neuen Kraftwerken über 40 oder 50 Jahre an die klimaschädliche Stromerzeugung aus Stein- und Braunkohle. Umweltverbände wie Greenpeace oder die Deutsche Umwelthilfe sind sich sicher, dass Deutschland damit seine Klimaschutzziele nicht erreichen wird. Besser wäre es, auf neue erneuerbare Energien zu setzen oder, wenn man schon einen fossilen Brennstoff nutzt, Gaskraftwerke zu bauen. Ein Verzicht auf Kohle ist aber von Gabriel, immerhin SPD-Minister, nicht zu erwarten. Deshalb die realistische Forderung: Es darf kein Kraftwerk mehr gebaut werden, das nicht gleichzeitig auch durch Kraft-Wärme-Kopplung (KWK) ans Heizungsnetz angeschlossen werden kann. Ein Gesetz zur KWK-Förderung liegt übrigens seit Jahren auf Eis, auch das muss bald verabschiedet werden.
Befristungen
Außerdem muss jedes Kraftwerk mit der Technik der CO2-Abscheidung ausgerüstet werden, sobald sie tatsächlich zur Verfügung steht. Noch ist aber nicht sicher, ob die industrielle Abspeicherung und Einlagerung von Kohlendioxid tatsächlich funktioniert. Deshalb sollte Gabriel auf Nummer sicher gehen: Neue Kohlekraftwerke dürfen nur eine befristete Betriebserlaubnis bis 2020 bekommen. Funktioniert die CO2-Abscheidung bis dahin nicht, müssen sie vom Netz. Und damit die Industrie die Verschmutzung der Umwelt wirklich als Kostenfaktor spürt, und nicht nur auf den Strompreis aufschlägt, dürfen die Verschmutzungsberechtigungen nicht mehr kostenlos ausgegeben werden. Zehn Prozent könnte Gabriel nach EU-Recht sofort versteigern – das wäre ein Anfang.
EEG weiterentwickeln
Damit Deutschland seine Klimaschutzziele erreicht, müssen die erneuerbaren Energien deutlich ausgebaut werden. Noch tragen sie rund zehn Prozent zur Stromerzeugung bei, 2020 könnten es bereits 33 Prozent sein, hat Greenpeace berechnen lassen. Dazu muss aber das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) weiterentwickelt werden, das die Förderung von Windparks, Biogas- und Solaranlagen regelt. Ende des Jahres steht die nächste Überprüfung des Gesetzes an. Vor allem die Förderung von teuren Off-Shore-Windanlagen auf dem Meer muss langfristig geregelt werden. Denn nur so können Investoren gewonnen werden, die die hohen Anfangsinvestitionen wagen.
Erneuerbare Wärme
Was beim Strom gut funktioniert hat, soll auch bei der Versorgung mit Wärme klappen. Deshalb will die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode ein Gesetz zur Förderung der Wärmegewinnung aus erneuerbarer Energie verabschieden. Doch SPD und Union streiten über den richtigen Weg. Während den Genossen ein Umlageverfahren wie beim Strom vorschwebt (also einen Aufschlag auf die Heizkostenrechnung, der für Solarwärmeanlagen oder Nutzung der Erdwärme ausgegeben wird), will die CDU/CSU baurechtliche Änderungen. Eine gesetzliche Regelung eilt, denn die Bauindustrie steht am Anfang eines neuen Booms. Und wenn man gerade dabei ist: Der Einbau von Nachtspeicherheizungen sollte verboten werden. Denn Wärme mit Strom zu produzieren, ist Energieverschwendung pur.
Energiepass nachbessern
Nicht nur Häuslebauer will Gabriel beim Klimaschutz unterstützen. Auch der Mieter soll künftig wissen, welche Heizkosten ihn beim Bezug einer neuen Wohnung erwarten. Gestern wurde im Kabinett der Energiepass für Häuser diskutiert (siehe Seite 8). Eigentlich eine sinnvolle Sache. Denn dieser Bedarfsausweis berücksichtigt die Dämmung des Daches, die Isolierung der Fenster, das Alter, die Qualität der Heizung und so weiter. Doch seine Erstellung war gerade den großen Wohnungsbauunternehmen zu teuer. Deshalb darf bei großen Häusern auch der billigere Verbrauchsausweis genutzt werden. Der stellt lediglich den tatsächlichen Verbrauch des Hauses (zum Beispiel innerhalb eines Jahres) dar und ist deswegen nicht aussagekräftig. Denn er berücksichtigt das individuelle Heizverhalten überhaupt nicht. Das ist ärgerlich, Gabriel muss nachbessern.
Kühlschrank-Ampel
Auch bei Elektrogeräten ist die geltende Kennzeichnung nicht mehr ausreichend. Ein Kühlschrank der Effizienzklasse A war früher spitze, mittlerweile ist er aber nur noch Mittelklasse, weil es A+ - und A++ -Geräte gibt. A ist also eigentlich C, doch das sieht der Verbraucher nicht. Diese Klassifizierung basiert aber auf EU-Recht und kann nur in Brüssel geändert werden. Auch gesetzliche Höchstgrenzen für den Stromverbrauch von Elektrogeräten darf Gabriel nur gemeinsam mit seinen europäischen Amtskollegen festlegen. Niemand aber hindert den Bundesumweltminister daran, eine weitere eigene Kennzeichnung einzuführen. Grün für A++ und A+, Gelb für A, und was schlechter abschneidet, bekommt einen roten Punkt. Eine unkomplizierte Möglichkeit zur Aktualisierung der veralteten Kennzeichnungen.
Tempolimit
Gibt es eigentlich irgendeinen vernünftigen Grund für die grenzenlose Raserei in Deutschland? Nein. In Europa leistet sich nur Deutschland die mythologisch verklärte freie Fahrt für freie Bürger. Doch die stößt wegen voller Autobahnen und Baustellen sowieso an ihr Limit. Auf die restlichen Kilometer, die zum Bleifuß einladen, kann man als Sofortmaßnahme getrost verzichten. Das reduziert Stress, mindert Unfallgefahren und sorgt – ohne Kosten – sofort für drei bis sechs Prozent weniger Kohlendioxid. Das hat das Wuppertal-Institut berechnet. Mittelfristig könnte dieser Wert sogar auf bis zu 30 Prozent steigen. Denn wenn sich Kunden und Ingenieure auf niedrigere Höchstgeschwindigkeiten einstellen müssen, dürfte das auch Auswirkungen auf die Konstruktion der Fahrzeuge haben. Zugegeben – auch in Ländern mit Tempolimit werden PS-starke Autos gekauft. Aber das Interesse an ihnen sinkt, wenn der Spritpreis steigt, wie zum Beispiel jüngst die US-Hersteller zu spüren bekamen. Deshalb brauchen wir eine:
Öko-Abgabe
Jeder Kilometer mit dem Pkw verursacht Umweltschäden in Höhe von rund drei Cent, beim Lkw sind es sogar mehr als 17 Cent. Das hat das Umweltbundesamt ermittelt. Der Klimaschaden macht dabei zwar nur 0,5 beziehungsweise 5,6 Cent aus. Aber wenn man schon mal dabei ist, kann man sich ja auch um Gesundheitsschäden durch Lärm und Abgase sowie die Zerstörung von Natur und Landschaft kümmern. Bei einer solchen echten Öko-Steuer würden tatsächlich die Verursacher der Schäden bezahlen. Alternativ könnte man auch die Mineralölsteuer um 32 Cent anheben. Wäre das unsozial, weil nur noch Reiche sich das Autofahren leisten können? Unsozial ist, dass zurzeit auch diejenigen für die durch Autos verursachten Schäden bezahlen, die sich kein Auto leisten kön- nen oder wollen, sei es durch ihre Krankenkassenbeiträge oder andere Steuern. Und wer auf dem Land lebt und auf sein Auto angewiesen ist, müsste auf verbrauchsarme Autos oder umweltfreundlichere Gasantriebe umstellen. Das kostet ein paar tausend Euro mehr in der Anschaffung, rechnet sich aber in wenigen Jahren.
Taxis billiger
Wie wäre es mit einem Fonds für Busse im ländlichen Raum, die dann nicht nur zweimal am Tag fahren. Auch Taxis könnten billiger werden. Denn noch zahlen die Unternehmen die volle Mineralölsteuer und den halben Mehrwertsteuersatz. Wenn diese Kosten wegfielen und der Preisvorteil an den Kunden weitergegeben würde, würden mehr Menschen als bisher Taxi fahren, könnten manche auf die besonders schädliche Kurzstrecke mit kaltem Motor verzichten und möglicherweise ihr Auto ganz abschaffen.
Flüge teurer
Auch beim Fliegen muss das Verursacherprinzip stärker berücksichtigt werden. Politik und Industrie verweisen auf die komplizierte Rechtslage und notwendige internationale Abkommen, schließlich sei die Fliegerei ein internationales Geschäft. Aber: 2006 gab es 422.000 reine Inlandsflüge, das entspricht 14,2 Prozent aller Flugbewegungen. Diese könnte die Bundesregierung schon mal im Alleingang mit einer Flugbenzinsteuer belegen und damit nach Schätzungen des Verkehrsclubs Deutschland 400 Millionen Euro pro Jahr einnehmen. Eine Mehrwertsteuer, die ebenfalls noch nicht erhoben wird, brächte Wettbewerbsgleichheit mit der Bahn und noch mal 500 Millionen Euro pro Jahr. Und eine zusätzliche Ticketabgabe, deren Einnahmen zum Beispiel Klimaschutzprojekten in Entwicklungsländern zur Verfügung gestellt werden könnten, ist rechtlich gar kein Problem.