: Fremde Himmel
Wenn über Satellit rassistische oder antisemitische Programme auf den deutschen TV-Bildschirmen landen, sind Medienpolitik und -aufsicht ratlos
VON BORIS R. ROSENKRANZ
Eigentlich ganz simpel: Sendet ein Fernsehkanal Material, das gegen deutsche Gesetze verstößt, bekommt er Probleme. Dafür sorgt die Rundfunkaufsicht. Allein – was ist, wenn es sich um einen Sender handelt, der außerhalb Deutschlands produziert und etwa antisemitische Programme via Satellit einstrahlt? Dann hat wiederum die Rundfunkaufsicht Probleme, denn: „Gegen ausländisches Satellitenfernsehen ist in der Regel kein Kraut gewachsen“, sagt der Direktor des Saarbrücker Instituts für Europäisches Medienrecht, Thomas Kleist. Der Grund: Satellitensignale stoppen bekanntlich nicht an Ländergrenzen, und Gesetze, die hier gelten, greifen im Ausland nicht. Der Aufsicht bleibt also bisher nur eins: anschauen, auswerten, abwarten.
Solange das geschieht, prasseln täglich Millionen Satellitenbilder auf deutsche Mattscheiben, unter ihnen auch Bilder und Texte mit rassistischen, pornografischen oder sonst wie verletzenden Inhalten. Für Norbert Schneider ein gravierendes Problem: „Muss ich all das, was die deutsche Regulierung nicht zulassen würde, über mich ergehen lassen?“, fragte der Vorsitzende der Landesanstalt für Medien NRW (lfm) bei einem Workshop zum Thema am vergangenen Mittwoch in Düsseldorf. Und wie solle darüber hinaus die Aufsicht einem deutschen Anbieter erklären, dass für ihn andere Regeln gelten als für ausländische Sender, obwohl die auch hier empfangen werden?
Ein oft genanntes Beispiel ist der in Beirut ansässige Hisbollah-Sender Al-Manar, der Ende 2003 etwa die Serie „Asch Schatat“ („Diaspora“) sendete, in der Juden Christen die Kehle durchschneiden oder Kinder opfern. In Frankreich, Spanien und den Niederlanden ist Al-Manar deshalb vom Satelliten verbannt worden. Das war möglich, weil der Kanal über den von Paris aus betriebenen Eutelsat sendete. In Deutschland hingegen ist der Sender über arabische Satelliten zu empfangen. Deren Miteigentümer: die saudische und ägyptische Regierung. Zugriff durch deutsche Behörden: unmöglich.
Dass grenzenloses Fernsehen neben positiven Effekten auch Probleme bereitet, liegt auf der Hand. Und doch fand dieses Thema in der deutschen Medienforschung bisher wenig Beachtung. Wie viel Aufklärungsbedarf besteht, zeigte der Workshop der lfm. Unter dem Titel „Fremde Welten – Ausländisches Fernsehen in Deutschland“ wollte man eine Bestandsaufnahme wagen. Doch zuweilen schienen diese Welten, die dort in harmlosen Sendebeispielen gezeigt wurden, so fern wie der Satellit, über den sie einstrahlen. Am Ende herrschte Ratlosigkeit, denn vor allem sprachliche Barrieren bereiten bei der Auswertung Schwierigkeiten: Was sagt der Mann, der da im Fernsehen mit den Händen fuchtelt, bloß?
Werden fremdsprachige Programme in Deutschland angefertigt, ist alles einfacher. Dann gelten dieselben Gesetze wie für deutsche Programme. Dieser Fall ist aber die Ausnahme und obendrein eher ein „ergänzendes Angebot für deutsche Bildungsbürger“, sagt der Medienrechtler Christoph Degenhart. Geht es um Satelliten-TV, können sich die Aufsichtsbehörden lediglich international austauschen.
Zudem muss man fragen, ob die Debatte nicht sowieso zu spät kommt – spart sie doch das Internet fast komplett aus. Doch online finden sich inzwischen die meisten Fernsehsendungen plus eigens fürs Netz erstellte Videos, abrufbar rund um die Uhr, aus aller Welt. Womit wir beim nächsten Problem wären.