LESERINNENBRIEFE
:

Schöner leben ohne Ökodiktatur

■ betr.: „Die Wirtschaft muss schrumpfen“, taz vom 23. 9. 14

Für mich und viele andere stimmt die Situationsanalyse von Helge Peukert. Aber seine Schlussfolgerung daraus läuft auf eine Ökodiktatur hinaus, wenn er schreibt: „Eine zukunftsorientierte Ökoelite hat der orientierungslosen Mehrheit klarzumachen, wo es langgehen muss.“ So klar wissen die elitären Eierköpfe doch gar nicht, wie eine attraktive Alternative zum „kleinbürgerlichen Konsumleben“ funktionieren könnte! Eine andere Lebens- und Wirtschaftsweise kann zwar erhirnt werden, weil aber die Menschen immer wieder anders sind als gedacht, muss so etwas in der Praxis scheitern. (Siehe die Idee vom Kommunismus!)

Würden wir dagegen in einer „Sonderwirtschaftszone“ alternativen Entwicklungsprojekten Raum und Gelegenheit geben, andere Lebens- und Wirtschaftsweisen zu entwickeln und auszuprobieren, käme Zukunftsweisenderes dabei heraus als nur bei Tagungen und Kongressen. (Oder bei Guerilla Gardening.) Wir könnten dort ausprobieren und beobachten, wie es sich heutzutage unter Einsatz moderner Hilfsmittel mit „Reproduktion in der Nahstruktur“ leben lässt. Essen! Trinken! Kleidung! Wir könnten feststellen, was mit mehr „Eigenarbeit“ machbar ist. Hausbau! Kinderbetreuung! Altenpflege! Kultur! Wir könnten testen, wo heutzutage die Grenzen des Genossenschaftswesens wirklich liegen. Moderne industrielle Produktion! Entwicklung! Usw.!

Wir könnten möglicherweise die Zeit dafür nicht nur durch Jobsharing (Teilzeitarbeit) in der Industriegesellschaft gewinnen, sondern damit gleichzeitig das Problem schwindender Lohnarbeitsmöglichkeiten lösen. Wir könnten in so einer „Sonderwirtschaftszone“ auch die Basiskonzepte ausprobieren, von denen Helge Peukert schrieb – also alternative Steuer- und Geldsysteme. Und wenn sich das Leben in so manchem dieser alternativen Projekte am Ende als befriedigender erweist als das, was wir jetzt führen, dann braucht es keine Ökodiktatur, um Mehrheiten für eine zukunftsfähige Lebens- und Wirtschaftsweise zu gewinnen! THEO KRÖNERT, Kaisersbach

Kommt zum Kompostklotesten

■ betr.: „Klug scheißen“, taz vom 6. 9. 14

Euer Artikel zu den Komposttoiletten ist nun schon drei Wochen her, allerdings komme ich erst jetzt zum klugscheißen. Festivals umweltverträglich zu gestalten und dafür auch Komposttoiletten einzusetzen, ist in Deutschland noch kein Standard, aber auch kein komplettes Neuland mehr, wie von euch beschrieben.

Neben dem von euch genannten Start-up gibt es andere Firmen, Projekte und Festivals, die da schon einen oder mehrere Schritte weiter sind. Diese Information taucht in eurem Artikel leider nicht auf, obwohl sie durchaus zugänglich gewesen wäre. Das Freifeld Festival im August 2014 mit ca. 5.000 Besucher*innen in Oldenburg wurde zum Beispiel komplett mit – unentgeltlich nutzbaren – Komposttoiletten durchgeführt. Das ist zwar ein Novum für die deutsche Festivallandschaft, wurde aber trotzdem nicht offensiv kommuniziert, da wir – die Veranstalter*innen – lieber hätten, dass Kompostklos einfach dazugehören, statt ein Marketing-Gag zu werden. Womöglich tauchen diese Klos deswegen auch nicht in eurem Artikel auf.

Unsere Erfahrung: Komposttoiletten sind nur unwesentlich teurer für die Veranstalter*innen, dafür aber schicker, unkomplizierter und sinnvoller. Wir würden uns freuen wenn ihr diese Info ergänzt und auch gerne nächstes Jahr unsere Klos testen kommt. Es lohnt sich. KATHARINA WISOTZKI, Klugscheißerin bei Freifeld e. V.

Eingebetteter Journalismus?

■ betr.: „Die Grenzbeauftragten“, taz vom 29. 9. 14

Der vorliegende Beitrag sollte als „Embedded Journalism“ gelesen werden. Die Autorin hat anscheinend gar nicht verstanden, dass sie rassistische entwürdigende Praktiken der „erkennungsdienstlichen Untersuchung“ beschrieben hat. Werden weiße Europäer an der Schweizer oder Luxemburger Grenze auch aus dem Zug geholt und gezwungen sich auszuziehen, etwa bei Verdacht auf Bargeldbesitz?

Auf sehr unglückliche Art und Weise macht sich der Beitrag mit den Bundespolizisten gemein und übernimmt etwa auch die Vorstellung, Menschen könnten „illegal sein“ („Wie erkennt man, dass ein Mensch illegal ist?“). Geld nehmende Fluchthelfer wurden zu DDR-Zeiten und im Nachhinein zu Helden stilisiert. Wenn sie keine Sachsen, sondern Eritreern die Einreise ermöglichen, werden sie unhinterfragt zu „Hintermännern“ und zu bekämpfenden „Schleusern“.

In Frontex-Zeiten ist diese Haltung schlicht zynisch.

Es würde mich freuen, wenn die taz in Zukunft die Perspektive der Flüchtlinge und nicht die der Bundespolizei einnehmen würde.

DIETMAR OSTHUS, Bochum

Barbarische Verwüstungen

■ betr.: „Keine Antwort in New York“, taz vom 26. 9. 14

Vor dem Abzug der amerikanischen Truppen aus dem Irak war amerikanischen Politikern und ihren Fachleuten klar, dass diese Situation eintreten wird, wie sie nun ist. Die amerikanische Tötungsmaschinerie lebt in ihrer vollen Blüte. Zuerst wird der Irak von Bush senior kaltblütig ausgehungert mit der Quittung World Trade Center. Dann Bush junior mit der Aussage, es bestehe die historische, einmalige Gelegenheit, militärisch in den Irak einzudringen und die irakischen politischen Führer umzubringen. Wie viel barbarische Verwüstungen dürfen die Vereinigten Staaten von Amerika noch in diese Welt setzen? Verbrechen zahlt sich nicht aus! Zornige Grüße STEPHAN POPOVIC, Stuttgart