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Archiv-Artikel

Industrie sorgt für dicke Luft in Lünen

Recyclinganlage, Klärschlammverbrennung, ein Metall- und ein Glashüttenwerk, ein Kohlekraftwerk: In Lünen gründen AnwohnerInnen eine Initiative gegen Industrieabgase – und für die Gesundheit ihrer Kinder

LÜNEN taz ■ In Lünen wächst der Widerstand gegen den Bau eines neuen Steinkohlekraftwerks. Die im März gegründete Bürgerinitiative Kontra Kohle Kraftwerk (BI) sammelt „jeden Tag neue Unterschriften gegen den Neubau“, sagt Sara Köhler von der BI. „Lünen wacht endlich auf.“ Die Bürgerinitiative will nicht nur gegen den Kraftwerksneubau kämpfen, sondern auch die Bevölkerung über die Luftqualität in Lünen aufklären. Ein Kinderarzt aus Lünen hatte nach 20 Jahren Arbeit in der 90.000 Einwohner zählenden Stadt nördlich von Dortmund drastische Rückschlüsse gezogen: Umweltbedingte Krankheiten wie Asthma, Neurodermitis und sehr starkes Nasenbluten nähmen immer stärker zu. Diese Beobachtung bestätigt auch ein Tierarzt, der unerklärlich gehäufte Leukämiefälle bei Hunden beobachtet hat (taz berichtete).

Tatsächlich stehen in Lünen, am südlichen Rand des Münsterlands, neben der größten Recyclinganlage Europas, eine Klärschlammverbrennungsanlage, ein Biomasseanlage, in der alte Bahnschwellen verbrannt werden, ein Metall- und ein Glashüttenwerk, ein Steag-Kohlekraftwerk. Und bis 2012 soll mindestens ein neues Steinkohlekraftwerk vom Stadtwerkeverbund Trianel gebaut werden, auch Steag hat eine weitere Baugenehmigung für ein neues Kraftwerk. Eine Stadt mit hoher Arbeitslosigkeit wie Lünen dürfe sich Investionen nicht entgehen lassen, argumentieren Stadtpolitiker.

Eine Auswertung der Lüner Luft durchs Umweltministerium hatte eine starke erhöhte Belastung mit Blei und Arsen ergeben. „Ruß wurde gar nicht gemessen“, kritisiert Sara Köhler von der BI. Auch an den anderen Messwerten wie Stickstoff, CO2 und Feinstaub – vom Ministerium als „oberer Normbereich“ gewertet – zweifelt die BI. „Die Messstation in Lünen steht wohlweislich nicht im Norden, wo die Dreckschleudern stehen“, sagt Sara Köhler. Sie möchte vor allem die Lüner Eltern auf die Verschmutzung aufmerksam machen. „Noch mehr Kraftwerke können wir nicht verkraften“, sagt sie. Infomaterial darf Köhler in den städtischen Kindergärten nicht wie geplant auslegen. „Ganz zufällig sitzt der Leiter des Jugendamts auch im Vorstand der Wirtschaftsförderer, die das Kraftwerk forcieren“, sagt Köhler. „Hier ist alles so verfilzt, dass wir es sehr schwer haben werden.“ Bis August muss die BI dem Rat mindestens 4.000 Unterschriften präsentieren. Nur dann würde erneut über eine Baugenehmigung diskutiert. Am kommenden Mittwoch findet am Abend im Hansesaal der Stadt Lünen eine Informationsveranstaltung der Bürgerinitiative statt. MIRIAM BUNJES