: Ein bunter Kessel Linkes
Das HAU veranstaltete am Wochenende das Treffen „G-8-Gipfel-Statements – 15 Gründe dagegen“. Toll: Für jeden war ein Argument dabei. Langweilig: Mehr als die Erkenntnis, dass der Feind die da oben sind, blieb am Ende nicht übrig
„Hol dir dein Leben zurück!“, „Keine Befreiung ohne Revolution“, „Eine andere Welt ist möglich“ – kurz vor dem 1. Mai ist Berlin wieder vollgepflastert mit den typischen Kalendersprüchen der Linken. Man macht sich damit Mut und vergewissert sich seiner selbst. Um Ähnliches ging es auch bei der Veranstaltung „G-8-Gipfel-Statements – 15 Gründe dagegen“, die die revolutionäre 1.-Mai-Stimmung praktischerweise gleich noch auf die Anliegen der angedachten Protestaktionen zum G8-Gipfel Anfang Juni in Heiligendamm zu richten gedachte. Ein erstaunlich buntes Bündnis aus felS (für eine linke Strömung), Queers against G8, Bbooks und anderen hatte ins HAU geladen, um mit Vorträgen und einer kleinen Filmreihe klar zu machen, wie schlecht die Welt wirklich ist und warum kein Mensch außer ein paar Staatschefs den G-8-Gipfel braucht.
Diskussionen oder gar Kontroversen waren bei dieser Veranstaltung allerdings nicht so gefragt. Nach öden Vorträgen wie dem der Soziologin Silke van Dyk von der Gruppe FelS, aber auch nach routiniert informativen Kurzreferaten von beispielsweise Mark Terkessidis über Migration in Europa war am Ende des Abends klar, was eigentlich auch schon vorher allen Versammelten klar war: Der Feind sind die da oben und wir sollten uns wehren.
In den einzelnen Vorträgen ging es um alles und um alles Mögliche. Die globalisierte Welt hat uns den „flexibilisierten Kapitalismus“ eingebracht, wie die Online-Redakteurin des Tagesspiegels, Mercedes Bunz, in ihrem Vortrag erklärte, und den wollte zumindest im HAU niemand haben. Man müsse sich aber auch nochmals die Frage nach Eigentumsverhältnissen näher anschauen, die durch die Entwicklung rund um die neuen Medien, durch Open Source und Copyleft aufgekommen seien, so die Autorin Sabine Nuss. Nicht zu vergessen: „Soziale Kämpfe in Südafrika“, für die sich der Politikwissenschaftler Romin Khan stark machte.
Das Schöne am G-8-Gipfel, das wurde nochmals deutlich, ist, dass das Treffen der Großen und Mächtigen, der „herrschenden Klasse“, für jeden etwas bereithält. Da mag die Linke noch so zersplittert sein, Anfang Juni findet sie trotzdem zusammen. Die Antifaschistische Linke Berlin fühlt sich von dem geplanten Theater in Heiligendamm genauso provoziert wie Queer-Organisationen. Überall im HAU herumliegende Flugzettel und Infobröschüren verstärken den Eindruck, dass im G-8-Gipfel jeder das sehen kann, was er in ihm sehen möchte, der Gipfel ist schon jetzt eine schier unendliche Projektionsfläche geworden. Wer etwa gegen den Trennzaun zwischen Israel und Palästina ist, so informiert eine Broschüre, der muss erstaunlicherweise auch in Heiligendamm demonstrieren gehen. Weil halt die da oben den Zaun irgendwie mit zu verantworten haben.
Papier ist geduldig, doch abgesehen davon, dass so mancher Sprecher auf dem Podium so mitreißend referierte wie Angela Merkel auf Valium, hat auch im Theatersaal einfach der Mut zum Widerspruch gefehlt. Als beispielsweise der Journalist und Autor Raul Zelik den Noam Chomsky machte und George W. Bush zum Oberterroristen erklärte, gegen den Ussama Bin Laden ein wahrer Ministrant ist, wollte niemand fragen, ob man sich den 11. September am Ende etwa nur eingebildet hatte. „Terror kommt von den Geheimdiensten“, meinte Zelik – die Hisbollah sieht das genauso.
Unkonventionell und endlich mal so, wie man sich linken Widerstand wünscht, nämlich originell und fantasievoll war nach all den Vorträgen vom Podium herab, die eher an Uni denn an unorthodoxe Linksradikalität gemahnten, einzig der Aufruf „Last call for Heiligendamm“ von Anja Fuo-San von der „Interventionistischen Linken“. In ihrer kurzweiligen Multimediashow erklärte sie, was die Herrscher der Welt in Heiligendamm wirklich geplant haben. Nämlich nichts außer ein gemütliches Beieinanderhocken und ein wenig Lächeln für die Kamera. „Foto, Essen, Foto, Essen, Foto, Essen“, fasste sie das Programm zusammen. Und dann kommt vielleicht noch Bono vorbei. Plötzlich leuchtete es wirklich ein: Bei so einer Party sollte man mit dabei sein. ANDREAS HARTMANN