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Archiv-Artikel

Bremer Vorzeige-Reederei Beluga wird abgewickelt

SCHIFFFAHRT Gegen den ehemaligen Eigentümer Stolberg wird ermittelt. Spektakuläre Projekte machten ihn bekannt

HAMBURG taz | Die pleitegegangene Beluga-Reederei soll abgewickelt werden. Wie der US-Hedgefonds Oaktree und der Insolvenzverwalter Edgar Grönda am Montagabend in Bremen mitteilten, soll das Kerngeschäft des Konzerns, Schwerguttransporte auf See, von einer neu gegründeten Reederei übernommen werden. Gegen den ehemaligen Eigentümer Niels Stolber ermittelt die Staatsanwaltschaft. Der Selfmademan hatte durch spektakuläre Projekte wie einen Zugdrachen-Antrieb für seine Schiffe von sich reden gemacht und sich in Bremen als Mäzen engagiert.

Stolberg hatte mit seiner Schwergutreederei innerhalb weniger Jahre einen Weltmarktführer geschaffen. Bis zu 70 Schiffe transportierten für Beluga Kraftwerksteile, Maschinen und Eisenbahnwaggons über die Weltmeere. Stolberg ließ Frachter bauen, die er an Schiffsfonds verkaufte, zurückmietete und vercharterte. Die Anleger wurden an der Charter beteiligt.

Bis zur Finanzkrise lief das Geschäft prima. Doch 2010 musste sich Stolberg mit Oaktree einen Kapitalgeber an Bord holen, weil er Probleme hatte, das Geld für den Kauf bereits bestellter Schiffe aufzutreiben. Der Reeder verkaufte schließlich 49,5 Prozent seiner Firma an Oaktree.

Im März 2011 zeigte Oaktree die Reederei an. Die Amerikaner wollen Scheingeschäfte innerhalb des Beluga-Konzerns festgestellt haben, mit denen Stolberg Finanzlöcher habe stopfen wollen. Stolberg und einige seiner Mitarbeiter stünden im Verdacht „seit dem Jahr 2009 Umsatzerlöse im dreistelligen Millionenbereich falsch ausgewiesen und hierdurch insbesondere Kapitalgeber getäuscht zu haben“, bestätigte die Bremer Staatsanwaltschaft im März 2011.

In der Folge meldete eine Beluga-Gesellschaft nach der anderen Insolvenz an – ein Vorgang, der jetzt seinen Abschluss zu finden scheint. In Kürze werden 224 von ehemals 671 Beluga-Mitarbeitern ihre Kündigung erhalten. 209 hatten selbst gekündigt oder Aufhebungsverträge unterzeichnet. 65 Mitarbeiter werden die Abwicklung des Konzerns übernehmen. 70 Beschäftigte werden bei der neuen Reederei Hansa Heavy Lift unterkommen.

Für Bremen ist die Pleite Stolbergs nicht nur der Arbeitsplätze wegen ein großer Verlust. Der Reeder hatte in der Stadt auch das „Beluga College“, ein Gymnasium für individuelles Lernen, finanziert, ebenso ein Zentrum für Maritime Forschung und das Wohltätigkeitsprojekt „Beluga School of Life“.

Darüber hinaus hatte Stolberg mit spektakulären Projekten Aufmerksamkeit auf Bremen gelenkt. Als zweite Reederei überhaupt schickte Beluga Schiffe durch die Nordostpassage nördlich von Russland. Nachdem zwei seiner Schiffe von Piraten überfallen worden waren, forderte er Militär auf den Schiffen. Und Stolberg war der Erste, der ein kommerziell fahrendes Schiff mit dem revolutionären Skysail ausrüstete, einem Zugdrachen, der 15 Prozent Treibstoff spart. GERNOT KNÖDLER