piwik no script img

Archiv-Artikel

Kickender Frühling

Menschen in Beirut (4): Eigentlich ist er im richtigen Alter, trotzdem hat Rabi’ noch nie einen Spielplatz betreten

Rabi’ ist 11 Jahre alt. Sein Name bedeutet auf Arabisch „Frühling“. Rabi’ lebt im Libanon, in einem Stadtteil Beiruts, der eigentlich gar kein funktionierender Stadtteil ist, sondern ein Flüchtlingslager für Palästinenser.

Ein berühmtes, denn seit dem Massaker von 1982 kennt die Welt Sabra und das Nachbarlager Schatila. Hier fressen Ziegen Müll auf der Straße, hier gibt es keine Geschäfte, sondern nur Stände und Buden, durch die alte Autos auf unbefestigter Straße rumpeln. Rabi’ geht gern in die Schule, da er weiß, dass Lernen wichtig ist.

Rabi’ kennt keine Spielplätze oder Fußballplätze, er kennt unbefestigte Straßen und Müllplätze, er kennt keine Museen oder Moscheen. Aber er kennt und liebt die kleine Kapelle in einer verdreckten Seitenstraße der Werkstatt seines Vaters.

Die Familie ist christlich. Zusammen mit seinen Eltern und den fünf Geschwistern geht Rabi’ sonntags in eine kleine Kapelle, um für ein besseres Geschäft für den Vater, für Gesundheit für die Mutter und für eine gute Ausbildung für sich selbst zu beten.

Er möchte später studieren, „irgendwas, aber unbedingt studieren!“, ruft er, dabei wird er als staatenloses, geduldetes Flüchtlingskind niemals im Libanon studieren dürfen und das Land, Beirut, sein Lager niemals verlassen können.

Sein Vater hat eine kleine Werkstatt für Wasserfilter, notfalls könnte Rabi’ bei seinem Vater lernen, doch auch seine älteren Brüder werden einmal Arbeitsplätze brauchen.

Rabi’ kann schon ein wenig Englisch und ist ganz stolz auf seine Sätze. Er erklärt seine Lieblingsgerichte natürlich in der neuen Fremdsprache: „Joghurt, Käse und Milch.“ Als Hobby hat er, wie wohl alle Jungs in seinem Alter, „Football“, und er kennt die deutschen Nationalspieler Michael Ballack und Olli Kahn.

Immer wenn ein Kind aus der Nachbarschaft einen alten defekten Ball im Müll findet, spielt Rabi’ mit seinen Freunden so lange damit, bis der Ball so kaputt ist, dass er nicht mehr rollen kann. Dann kann es wieder monatelang keinen Ball geben, denn weder seine Eltern noch die seiner Freunde haben Geld für einen richtigen Ball.

Aber im Sommer ist es ohne Ball nicht so schlimm, da geht er gerne im Meer schwimmen. Und da das Mittelmeer in sanften Wellen am Beiruter Strand anlandet, kann man auch ohne Ball im Meer spielen. JASNA ZAJCEK