: Abitur nicht mehr Nonplusultra
DURCHLÄSSIG An Brandenburgs Universitäten können seit April Handwerksmeister, Facharbeiter und Bewerber mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe 1 studieren
VON HEIDE REINHÄCKEL
Die Grenzen zwischen beruflicher und akademischer Bildung sollen durchlässiger werden. So lautet die Kernbotschaft des Brandenburger Hochschulgesetzes (BbgHG), das die rot-rote Landesregierung auf den Weg gebracht hat. Dafür war ein langer Anlauf vonnöten. Die Erleichterung des Zugangs zu einem Studium für neruflich Qualifizierte zählt zu einem der Hauptanliegen in der seit 15 Jahren andauernden Hochschulreform. Im Beruf erworbene Kompetenzen sollen im universitären Elfenbeinturm mehr anerkannt werden. Damit ist das Abitur nicht mehr das Nonplusultra für die Aufnahme eines Universitätsstudiums.
Nach der seit Ende April geltenden Regelung können an den Universitäten in Brandenburg auch Handwerksmeister, Facharbeiter und Bewerber mit einem Schulabschluss der Sekundarstufe1 studieren, die über eine Ausbildung und zwei Jahre Berufserfahrung verfügen. Neu ist hier vor allem die Möglichkeit, mit der Fachhochschulreife an einer Universität zu studieren.
Dieser Zugang gilt allerdings nur für das Bachelorstudium als erstem berufsqualifizierendem Hochschulabschluss. Für den Zugang zum darauf folgenden Masterstudium ist weiterhin ein erfolgreich abgeschlossenes Bachelorstudium nötig. Mit den neuen Regelungen verfügt Brandenburg deutschlandweit über den breitesten Zugang zu universitärer Bildung und ist unter den Bundesländern Spitzenreiter in Sachen Durchlässigkeit zwischen beruflicher und wissenschaftlicher Ausbildung. Ziel der Reform ist es nicht zuletzt, den akademischen Fachkräftebedarf in der Region abzudecken.
Doch was bedeuten die neuen Regeln für die Brandenburger Hochschullandschaft? In Brandenburg gibt es neben den drei Universitäten Potsdam, Frankfurt (Oder) und Cottbus-Senftenberg die Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg sowie die vier Fachhochschulen Brandenburg, Potsdam, Eberswalde und Wildau. Nach dem neuen Hochschulgesetz dürfen die Fachhochschulen nun die Bezeichnung Hochschule führen.
Noch keine Welle in Sicht
Für die Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE) sind die Folgen des breiteren Zugangs momentan noch nicht in Gänze absehbar. „Wir haben zum Semesterstart einige wenige Einzelfälle auf Grundlage der Neuregelung zugelassen. Von einer neuen Bewerberwelle würde ich aber nicht sprechen“, sagt Vera Clauder, Leiterin des Studierendenservice an der HNE Eberswalde. Die bisherigen Anfragen zeigen laut Clauder aber, dass alle Bachelor-Studiengänge der HNE grundsätzlich auch für beruflich Qualifizierte interessant sind.
Weil die Hochschule allerdings sehr spezielle Studiengänge zur Nachhaltigkeit anbiete, soll auch künftig vor allem mit dem Fachprofil geworben werden und weniger mit den veränderten Zugangsbedingungen, so Clauder. Dass fachliche Interesse an den Nachhaltigkeitsstudiengängen stehe im Mittelpunkt, und in Gesprächen mit Interessenten werden die Anforderungen an das Studium dargestellt, damit möglichst keine falschen Erwartungen entstehen. „Mit einer solchen individuellen Studienberatung haben wir gute Erfahrungen gemacht.“
Neue Wege ebnen
Die Brandenburgische Technische Universität Cottbus-Senftenberg (BTU) setzt ebenfalls auf persönliche Studienberatung und verzeichnet auch Zuwachs, wobei konkrete Zahlen erst zum Ende der Immatrikulation im November vorliegen werden. Allerdings geht die BTU auch neue Wege, um den Übergang vom Berufsleben zum Studium zu erleichtern. Am 1. Juni 2013 wurde an der BTU ein „Zentrum für Studierendengewinnung und Studienvorbereitung-College“ gegründet. Die BTU hat es im Frühjahr 2014 erstmals beworben. Als von der Landesregierung unterstütztes Pilotprojekt sind die Angebote des Colleges kostenfrei. „Im März 2014 hat das College die ersten berufsbegleitenden Kurse für Studieninteressierte angeboten, die noch im Arbeitsleben stehen. Das Ziel dabei ist, die Chancen für beruflich Qualifizierte zu steigern, ein Studium zu schaffen und die Abbrecherquote zu minimieren“, erklärt Matthias Koziol, Wissenschaftlicher Leiter des Zentrums für Studierendengewinnung und Studienvorbereitung.
Die Vorkurse in den Naturwissenschaften richten sich laut Koziol aber auch an Abiturienten, um das Abiturwissen aufzufrischen und gegebenenfalls Defizite auszugleichen, damit sie später in den Vorlesungen mitkommen. „Wir sind mit dem Modell des College als Brücke zwischen Schule, Beruf, Ausbildung und Studium momentan Vorreiter in Brandenburg.“