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Archiv-Artikel

Streiten mit den großen Jungs

Ärger mit den Aktionären, undurchsichtige Manöver der Landesregierung: Die Zukunft des RAG-Konzerns erscheint unsicherer denn je. SPD warnt vor „Rachefeldzug“ gegen Konzernchef Müller

VON KLAUS JANSEN UND HOLGER PAULER

Werner Müller ist in der Auswahl seiner Feinde nicht wählerisch. Neben CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hat der Boss des Noch-Kohleunternehmens RAG nun auch die Chefs seiner wichtigsten Aktionäre RWE und ThyssenKrupp, Harry Roels und Ekkehard Schulz gegen sich aufgebracht.

Nach den im Stil einer Schulhofrauferei ausgetragenen Streitereien um die Besetzung des Spitzenpostens der neu zu gründenden Kohlestiftung steht nun die Zukunft der RAG als solcher in Frage. Weil sich die Anteilseigner bei der Umsetzung von Müllers Börsenplänen übervorteilt fühlen, denken Landesregierung und Ruhrgebiets-Wirtschaftsadel immer konkreter über eine Zerschlagung des Konzerns nach. „Wir stehen zum Börsengang“, betonte gestern zwar ein Regierungssprecher. CDU-Fraktionsvize Christian Weisbrich erklärte hingegen, dass es „keine Denkverbote“ gebe – und die Möglichkeit eines Verkaufs der Einzelteile der RAG weiter bestehe (siehe Interview).

Vor allem der mit 30,2 Prozent Anteilen größte RAG-Aktionär RWE scheint derzeit entschlossen zu sein, den so genannten integrierten Börsengang der RAG zu verhindern. Der ebenfalls in Essen beheimatete Stromriese hätte offenbar nicht nur die RAG-Kraftwerkstochter lieber im eigenen Haus als als Konkurrent, sondern hätte auch gerne die Tochter Saar Ferngas übernommen. Dieses Manöver scheiterte am Kartellamt – weil Müller es so wollte, vermuten RWE und nordrhein-westfälische Landesregierung. Müller habe die Saar Ferngas dem Aktionär Arcelor versprochen, um sich so dessen Zustimmung zum Börsengang zu erkaufen, heißt es.

RWE wirft Müller nun vor, seine Informationspflichten gegenüber dem Aufsichtsrat nicht erfüllt zu haben. Sollte eine Mehrheit im RAG-Aufsichtsrat diese Ansicht teilen, wäre nicht nur Müllers geplanter Aufstieg an die Spitze der neuen Kohlestiftung gefährdet, die nach Ende der Subventionszahlungen im Jahr 2018 die Finanzierung der Bergbau-Altlasten übernehmen soll.

Undurchsichtig ist nicht nur im Streit mit RWE die Rolle der Landesregierung, die einen Ruhrgebietskönig namens Müller nach Ende des Bergbaus unbedingt verhindern will. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung soll die Regierung Rüttgers so dem Chemieunternehmen Lanxess ihre Unterstützung für die Übernahme der RAG-Tochter Degussa zugesagt haben. „Es gab mit der Landesregierung Gespräche über die Degussa“, sagte ein Lanxess-Sprecher der taz. Von einem konkreten Übernahmekonzept sei man jedoch weit entfernt. Die Staatskanzlei geht hingegen von einem „offensichtlichen Missverständnis“ aus – nie habe man RAG-Teile unter der Hand angeboten.

Unterstützt wird der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Müller derzeit nur von der Bergbaugewerkschaft IG BCE und der SPD. Landeschefin Hannelore Kraft hatte Rüttgers auf einer Maikundgebung am Dienstag einen „persönlichen Rachefeldzug“ gegen Müller vorgeworfen, mit dem er eine Zerschlagung der RAG riskiere und dem Land schade. Auch IG BCE-Sprecher Christoph Meer warnte vor einem Verkauf der Einzelteile: „Wir sind nach wie vor für einen Börsengang des gesamten Konzerns“, sagte er. Dies habe auch die NRW-Regierung bei den Kohlegesprächen in der vergangenen Woche nicht in Frage gestellt.

Im Falle einer Zerschlagung fürchtet die Gewerkschaft um mehrere tausend Arbeitsplätze. „Der Börsengang muss so schnell wie möglich angeschoben werden“, sagte Meer. Als Voraussetzung dafür gilt die zügige Gründung der Kohlestiftung sowie die Verabschiedung des Kohlefinanzierungsgesetzes im Bundestag. Laut IG BCE muss das Gesetz noch vor der Sommerpause in den Bundestag eingebracht werden, um einen Börsengang für das kommende Frühjahr realisieren zu können.