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Archiv-Artikel

Proteste vor estnischer Botschaft in Moskau

Europäische Union fordert Russland zum Schutz der Vertretung und der Diplomaten aus Tallinn auf

STOCKHOLM taz/rtr ■ Der Denkmalstreit zwischen Russland und Estland verschärft sich. Vor der estnischen Vertretung in Moskau kam es gestern zu Ausschreitungen, nachdem Demonstranten einen Auftritt der estnischen Botschafterin blockiert und ihr Auto attackiert hatten. Leibwächter setzten daraufhin Reizgas ein. Die russische Staatsbahn erklärte unterdessen, wegen Reparaturarbeiten könne es zu einer vorübergehenden Unterbrechung der Treibstofflieferungen in die baltische Republik kommen.

Die Demonstrationen richten sich gegen die Verlegung eines sowjetischen Ehrenmals in der estnischen Hauptstadt Tallinn. Die Europäische Union forderte in einer Protestnote Russland dazu auf, den Schutz der estnischen Botschaft und der dort tätigen Diplomaten sicherzustellen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich in den Streit ein und sagte dem estnischen Regierungschef volle Unterstützung zu.

Bereits am Dienstagabend hatte der estnische Außenminister Urmas Paet von der EU ein härteres Durchgreifen gefordert. „Ab heute ist die gesamte EU angegriffen, weil Russland Estland angegriffen hat“, sagte er. Die Blockade der Botschaft Estlands in Moskau habe dazu geführt, dass das Botschaftspersonal „in Gefangenschaft“ lebe. Die Belagerung sei vom „Kreml gelenkt, die jeder Person dafür 550 bis 1.000 Rubel am Tag bezahlt“.

Außerdem führe Moskau einen regelrechten „IT-Krieg“ gegen Estland. Seit Freitag waren die Internetseiten der estnischen Regierung, des Außenministeriums und des Staatspräsidenten kaum oder nur schwer zugänglich. Man habe diese technischen Probleme, so Paet, angesichts von IP-Adressen auf planmäßige Überlastungsattacken seitens russischer Regierungsserver zurückführen können.

Eine angemessene Reaktion wäre nach Auffassung des Außenministeriums das Einfrieren aller Verhandlungen zwischen der EU und Russland, vor allem aber die Absage oder Verschiebung des für den 18. Mai angesetzten EU-Russland-Gipfels über ein neues Partnerschafts- und Kooperationsabkommen. Heute will Estlands Regierung entscheiden, ob sie der EU diesen Schritt vorschlagen wird.

Vorbehaltlose Unterstützung dafür soll nach Informationen aus Regierungskreisen in Tallinn bislang aber nur aus Polen gekommen sein. Lettland und Litauen sind zurückhaltend, weil sie Unruhen ihrer russischen Minderheiten befürchten.

REINHARD WOLFF