: Themen der Woche
Zugenickt oder geschwiegen
■ betr.: „Viva la APO!“, taz vom 24. 5. 11
Was heißt hier „Die Ansteckungsgefahr ist groß“! Bisher ist es ein unerträgliches Versäumnis der früher mal „linken“ SPD und vor allem des DGB, dass nicht nur weggeschaut wurde, wenn die sozialen Verhältnisse vieler Menschen in Deutschland in großen Schritten zugunsten der reichen Minderheit verschlechtert wurden. Noch schlimmer: SPD und Grüne haben diese Umverteilung von Arm nach Reich selbst aktiv betrieben und mit Hartz IV zementiert, und die Führung in den DGB-Gewerkschaften hat ihre engagierten Mitglieder daran gehindert, sich öffentlich dagegen zu wehren, oder man hat Demos lediglich dafür organisiert, um mal kurz Dampf abzulassen. Lange Zeit haben Politik und Gewerkschaften dem neoliberalen Treiben in Deutschland wie in Europa zugearbeitet, zugenickt oder einfach nur geschwiegen, anstatt die Menschen aufzuklären und den Widerstand aufzubauen. Und nun warnt auch noch die taz davor, dass die (jungen) Menschen in Europa oder gar in Deutschland beginnen könnten, sich organisiert gegen diese unerträglichen Verhältnisse von Arbeitslosigkeit bis Krisenfinanzierung der Banken zu wehren. Das stärkste Druckmittel gegen die wahren Verantwortlichen der Krise ist der politische Generalstreik. Den gilt es in Deutschland endlich zu erkämpfen, bevor es zu spät ist.
JOCHEN GRAF, Gäufelden
Keine Beruhigung
■ betr.: „Deutschen wird der Job nicht genommen“, taz vom 23. 5. 11
Wenn mich Herr Becker von der BAG für Arbeit zu beruhigen sucht, wählt er die falschen Worte. Seit zwei Jahren bewirbt sich mein Sohn um einen Studienplatz der Medizin, mit wenig Aussicht, einen der immer noch begehrten Plätze zu erhalten. Meine Schwiegertochter hat fünf Jahre gewartet. Der NC ist sehr hoch. Jetzt hat er eine Ausbildung zum Pfleger begonnen, um wenigstens im Bereich der Medizin zu arbeiten. Wenn es dann in ein paar Jahren zu wenig Ärzte gibt, werden ihm die Anwerbungen aus dem Ausland den Job als Pfleger nicht streitig machen. Hallo, fällt Frau von der Leyen wirklich solche komischen Entscheidungen? DANIELA SELBERG, Hannover
Für gerechten Frieden
■ betr.: „Israelkritik ist für manche eine Obsession“, taz vom 27. 5. 11
Die internationale Boykottkampagne (BDS) wurde 2005 von Teilen der palästinensischen Zivilgesellschaft ins Leben gerufen. Sie orientiert sich an der Südafrika-Boykottkampagne während der Apartheid. So soll Druck auf Israel ausgeübt werden, sich an internationales Recht zu halten. Dieser Kampagne haben sich weltweit Universitäten, Künstler, Akademiker, Gewerkschaften, Firmen und Privatpersonen angeschlossen. Auch die „Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden“ unterstützt einen Boykott von Waren aus den 1967 besetzten Gebieten. Sollten die Bremer Linken also laut Klaus Lederer tatsächlich sehr viel Mühe haben zu erklären, warum dieser Boykottaufruf nicht antisemitisch ist, sollten sie und auch Lederer mal über den Tellerrand schauen, sie könnten viel von anderen lernen, anstatt reflexhaft Klischees zu bedienen. MANUELA KUNKEL, Stuttgart
Lachen gegen Ohnmacht
■ betr.: „Die Bühne des Buhs“, taz vom 27. 5. 11
Schon absurd: Da wirbt die taz auf dem Protestcamp gegen Stuttgart 21 mit einem eigenen Stand, um dann später dieselben Menschen als „Mob“ zu verunglimpfen und ihnen vorzuhalten, dass sie sich bei einem Prozess, den sie als Zuschauer verfolgen, mitangeklagt fühlen. Ein Großteil von ihnen ist wirklich angeklagt in einem der hunderten anderen Strafverfahren, mit denen Oberstaatsanwalt Häußler die „Mutbürger“ wegen ihrer Protestaktionen überzogen hat. Viele hatten weniger Erfahrung mit dem Justizsystem und mussten erleben, dass sie ihm ohnmächtig ausgeliefert sind. Ich bin selbst von dieser Richterin verurteilt worden und kenne dieses Gefühl. Wir setzen der Ohnmacht unser Lachen, unsere Solidarität und – jawohl! – auch unseren Hohn für dieses ungerechte Justizsystem entgegen, weil uns ja sonst nichts bleibt. JUDITH MAISENBACHER, Heidelberg
Böse Ärzte
■ betr.: „Kassenabzocker sind wohlauf“, taz vom 25. 5. 11
Etwas anstrengend ist die Berichterstattung von Frau Haarhoff, die das „Böse“ immer bei Ärzten und Apothekern sucht und dabei die Krankenkassen als Opfer darstellt. Interessanter wäre es doch mal, auch die Krankenkassen kritisch zu beäugen. Diese werden von der Pharmaindustrie durch Rabattverträge mit Millionenbeträgen geschmiert. Diese Summen werden nicht veröffentlicht und niemand weiß genau, wie viel Geld die AOK, Barmer, DAK usw. von Novartis, Ratiopharm etc. bekommen. Das ist ein Skandal in Zeiten, wo alle nach Transparenz im Gesundheitswesen schreien und die Krankenkassen alle angeblich kein Geld haben. AXEL STELLINGS, Glücksburg
Hier genauso
■ betr.: „Schwul und sehr gut so“, taz vom 26. 5. 11
Im Kommentar zum schwulen Times-Kolumnisten schreibt ihr von den USA als einem Land, „wo Schwule und Lesben immer noch um Gleichberechtigung kämpfen und die Homoehe in der Mehrheit der Bundesstaaten nicht anerkannt ist“.
Pardon? Ist das hier vielleicht anders? In der Bundesrepublik Deutschland ist die Homoehe in keinem einzigen Bundesland anerkannt, und gesetzlich festgeschriebene Diskriminierung schwuler und lesbischer Paare gibt es allerorten nicht nur in Sachen Ehegattensplitting und Adoptionsrecht. Von einem „Na und?“ kann also auch trotz eines schwulen Außenministers hierzulande keine Rede sein. JOHANNES J. ARENS, Aachen
Von Niebüll nach Westerland
■ betr.: „Lokführer streiken wieder“, taz vom 18. 5. 11
Die Nordostseebahn ist ein Tochterunternehmen eines ausländischen Bahnunternehmens. Dieses Unternehmen scheint die Belastungen durch überfüllte Züge billigend in Kauf zu nehmen. Dabei wird die Situation immer unerträglicher. Wer jeden Tag die Strecke Niebüll–Westerland befährt, kann ein Lied darüber singen. Seit dem Jahr 2002 ist der Monatsfahrpreis meiner Fahrkarte zudem um mehr als 30 Euro gestiegen. Eine Frechheit! Im selben Zeitraum sind mehr als vier Zugverbindungen am Tag weggefallen. Qualitativer Nahverkehr sieht anders aus. SVEN BOHL, Niebüll
Verlorene Männerschlacht
■ betr.: „Sie hat ihr Amt falsch verstanden“, taz vom 25. 5. 11
Gelungener Artikel, der sich differenziert mit den Vorgängen in Goslar auseinandersetzt und nicht (!) auf eine, von einem Grüppchen radikaler Männerrechtler um Prof. Gerhard Amendt und dem „liberalen“ Männerrechtler Arne Hoffmann in Blogs und Kommentaren herbeigeschriebene „Hexenjagdthese“ aufspringt.
Die Unterstützer von Frau Ebeling, allen voran Arne Hoffmann, der auch gerne in der rechten Jungen Freiheit schrieb, weil es sonst keine Möglichkeit gegeben habe, auf Männerthemen aufmerksam zu machen (was nicht stimmt), und Gerhard Amendt, der Frauenhäuser schnell abschaffen will, da sie ein Hort des Männerhasses seien, waren es, die die „Schlacht um Goslar“ ausriefen. Diese Akteure sind offensiv im Verein Agens zusammengefasst. Tja, die „Schlacht“ wurde aber verloren. Warum nur?
Frau Ebeling wurde mit einer Mehrheit aus allen (!) im Goslaer Rathaus vertretenen Parteien abgewählt, quer durch alle Parteien hindurch. Zuerst hieß es noch im Vorfeld, eine „linke Hetzjagd“ auf Monika Ebeling werde veranstaltet. Als dieser „Mobilisator“ aber zusammenbrach, nachdem selbst die CDU und FDP und Teile der Bürgerpartei im Goslaer Rat gegen Monika Ebeling sprachen, schwadronierte die Szene um Arne Hofffmann plötzlich von „feministischer Hetzjagd“. Die Goslaer Abgeordneten wollten aber keine ideologischen Gräben anhand von „Geschlecht“ aufmachen, sondern bewerteten die Arbeit von Frau Ebeling als Gleichstellungsbeauftragte, und da kamen sie mehrheitlich zu der Einschätzung, dass sie das Amt nicht genügend gut ausfüllte.
Wer sich wie Monika Ebeling eben von Amendt unterstützen lässt und die geschlagenen Frauen mitsamt ihren schlagenden Partnern in Familienhäuser stecken will, verkennt die Realität von Gewalt in Beziehungen und blendet Machtbeziehungen aus. Hätte sich Frau Ebeling den moderneren Männern zugewandt, die sich erfolgreich im „Bundesforum Männer“ gesammelt haben und die Frau Ebeling ein Gesprächsangebot gemacht hatten, das diese schroff ablehnte, dann wäre sie auf der Höhe der Zeit gewesen, und selbst an dem Punkt Schutz vor Gewalt wäre sie einen Schritt weitergekommen. Es lohnt sich hier doch, der jeweiligen Person das bestmögliche Konzept zum Schutz vor Gewalt anzubieten. Und da sprechen sich nun mal viele der misshandelten Frauen für Frauenhäuser aus.
Männerhäuser tun ebenso Not. Gemischtgeschlechtliche Häuser können für einige oder viele genauso der richtige Ansatzpunkt sein. JUNE BUTTLER, Berlin
Lesbisch-schwul-trans*-bi-inter
■ betr.: „Belächelt und angefeindet?“, „BrennPunkt“, 20. 5. 11
Auf Seite eins unserer taz-Beilage „BrennPunkt“ ist uns eine Formulierung unterlaufen, die zu Missverständnissen führt und für die wir uns auf diesem Wege entschuldigen möchten. Unser Text kann leider so verstanden werden, als würde die Christliche Initiative Romero (CIR) die Diskriminierung von lesbisch-schwul-trans*-bi- und intersexuellen Menschen nicht entschieden verurteilen. Wir verurteilen jegliche Form von Gewalt an und Diskriminierung von lesbisch-schwul-trans*-bi- und intersexuellen Menschen aufs Schärfste. Keine Person darf wegen ihrer/seiner sexuellen Orientierung, Identität, Lebensweise oder emotionalen Zuwendung und partnerschaftlichen Bindung angefeindet oder diskriminiert werden. Die schlimmen Folgen, die diese Diskriminierung haben kann, wollten wir am Beispiel der südafrikanischen Nationalspielerin Eudy Simelane deutlich machen – einer Frau, die offen für die Rechte von homo- und bisexuellen Menschen gekämpft hatte und deshalb brutal ermordet wurde.
MAIK PFLAUM, Münster
Unübersichtliche Nachrichtenlage
■ betr.: „Der Blogger geht von Bord“, taz vom 25. 5. 11
Die Nachrichtenlage in Tunesien mag nach wie vor unübersichtlich und der Wahrheitsgehalt der mannigfach kursierenden Gerüchte schwer zu überprüfen sein. Umso mehr wünschte ich mir von der taz Genauigkeit im Detail. Slim Amamou war nicht einmal Minister, wie er in der Überschrift der Online-Ausgabe und an anderer Stelle im Text genannt wird, und einmal Staatssekretär wie im übrigen Text, sondern immer nur Staatssekretär. Auch war er nie Mitglied, höchstens Sympathisant einer tunesischen Piratenpartei. Es soll übrigens derzeit drei davon geben.
Fragwürdig scheint die Aussage, die „lebhafte Debatte“ über die Entlassung von belasteten Polizeibeamten und Folterern oder die (Un-) Freiheit eines Regierungsmitglieds sei erst durch Slim Amamous Blogeintrag ausgelöst worden: Diese Themen wurden schon lange diskutiert – nicht nur im Internet. Außerdem: Welches Regierungsmitglied soll „von einem Militärputsch im Falle eines islamistischen Wahlsiegs im Juli“ gesprochen haben? Meines Wissens spekulierte nur der Anfang April entlassene Innenminister Farhat Rajhi in einem auf Facebook veröffentlichten Interview darüber. Im gleichen Interview sprach Rajhi auch von der Existenz einer Schattenregierung. ULRIKE VALLAUD-MERSCH, Freiburg
Kein großes Thema, keine Aufregung über den einen Artikel oder das eine Ereignis diese Woche.
Dafür haben die Leserinnen und Leser viele unterschiedliche Fragen aufgegriffen – wie die Bewegung von der Placa del Sol in Madrid und ihre erhofften oder unerwünschten Auswirkungen auf Deutschland.
Die Absetzung der Goslaer Gleichstellungsbeauftragten, die besser mit radikalen Männerrechtlern konnte. Die Informationen über Tunesien. Jugendliche und ihre Aussichten auf einen Studienplatz.
Die Hausärzte und die Krankenkassen. Lesbisches und Schwules. Fahren mit der Privatbahn im Norden. Natürlich wieder Stuttgart 21. Und natürlich wieder Palästina und Israel und ob ein Boykott gegen israelische Produkte aus den besetzten Gebieten antisemitisch ist.
Lesen Sie selbst.