„Wir können etwas bewegen“

NEU-EINSTIEG Erstmals bekommt die Bürgerschaft einen „afro-deutschen“ Abgeordneten: Als Elombo Bolayela aus dem Kongo geflüchtet war, wurde sein Asylantrag erst abgelehnt

Wenn er in einer Frage unsicher ist, sagt er: „Da muss ich Carsten Sieling anrufen.“

VON KLAUS WOLSCHNER

Zum Opferstock tänzeln die Gemeindemitglieder in einer Art Polonaise: Vorne spielt eine Band, selbst der Mann am Video-Gerät schunkelt wie in Trance mit – es ist Gottesdienst in der „Fountain Gate Chapel e.V.“ in der Findorff-Straße. Der bietet hier alles – Gruppengefühl, Ritus, Information. Und es wundert sich niemand, dass dann auch Elombo Bolayela nach vorne gebeten wird, und noch vor dem Prediger zu Wort kommt.

In einer 20-minütigen freien Rede bedankt er sich für die Unterstützung durch die afrikanischen Gemeinden. Er ist gerade in die Bürgerschaft gewählt worden. In Berlin beim Empfang der SPD-Parteiführung für 400 Migranten, die in der SPD engagiert sind, war er der einzige Schwarze, sagt er. „Wir können miteinander etwas bewegen“, ruft er der Gemeinde zu. Rund 70 Schwarze sitzen in dem Raum. Er ruft sie auf, sich zu engagieren, sich gegenseitig in Netzwerken zu unterstützen – und sich für Bildung, besonders die der Kinder, anzustrengen.

Der 46-Jährige erfüllt alle konservativen Klischees vom Deutschen: Elombo Bolayela ist fleißig und bescheiden. Allerdings auch freundlich. Er ist Baumarkt-Verkäufer und bekam bei den Bürgerschaftswahlen mehr Direkt-Stimmen als die Bildungssenatorin. Fünf zauberhafte, brave Kinder gehören zu seiner Familie, seine Frau sagt selbst, dass sie ihm für den Wahlkampf „den Rücken frei hielt“. Im Kleingarten mäht er den Rasen. „Ich bin schwarz, ich bin afro-deutsch“, sagt er mit großer Selbstverständlichkeit.

Er kam 1992 nach Deutschland mithilfe russischer Schleuserbanden, nachdem er bei einer Demo gegen den Diktator von Zaire, Mobutu, von dessen Polizeitruppen verletzt worden war. Fünf Jahre lebte er ohne Arbeitserlaubnis in Syke. Fünf harte Jahre: Es schien keine Perspektive zu geben. Kaum ein Deutscher wollte Kontakt mit den Asylbewerbern haben. Nie wusste Bolayela, ob er nicht vielleicht morgen wieder abgeschoben wird. Die Polizei Mobutus wurde in München trainiert und auch der „Kommunistische Bund Westdeutschland“ unterstützte damals den schwarzen Diktator als Hoffnungsträger für Afrika.

Bolayelas Asylantrag wurde zunächst abgelehnt: Er konnte nicht nachweisen, dass er politisch verfolgt war. Die Schusswunde am Bein galt nicht als hinreichender Beleg. Aber wenn sich der Horizont verdunkelt, weiß der Pfarrerssohn ein starkes Licht in sich: Er betet. „ Ohne Kirche geht es nicht für mich“, sagt er. Der Vater, ein Pfarrer, wollte ihn Samuel nennen. Aber unter Mobutu waren religiöse Namen verboten. So steht „Elombo“ in seinem Pass.

In Zaire hatte Bolayela zwei Jahre Wirtschaft studiert. In Deutschland musste er noch einmal ganz unten anfangen: Mit Putzen und Aushilfs-Arbeiten verdiente er sich das Geld, um den Deutsch-Kurs zu finanzieren. Aufgrund seines politischen Engagements in Deutschland hatte er eine Duldung erhalten. Schließlich bekam er die Chance für eine Umschulung zum Tischler. Er fand eine deutsche Frau und einen Job im Baumarkt, wo er als Betriebsrat die Interessen auch seiner deutschen Kollegen vertritt.

Seinen Wahlkampf hatte er nahezu professionell organisiert. Er hält engen Kontakt zu Carsten Sieling, dem Bundestagsabgeordneten. Wenn er in einer Frage unsicher ist, sagt er: „Da muss ich Carsten anrufen.“ Er hatte persönliche Wahl-Flugblätter lange bevor andere SPD-Kandidaten gemerkt haben, dass es nach Platz 16 keine sicheren Listenplätze mehr gibt – Bolayela stand auf Platz 41.

„Gott loben – den Menschen dienen“, das bezeichnet er manchmal als sein Motto. „Wir sind eine Leistungsgesellschaft“, sagt er, aber genauso wichtig ist ihm „Solidarität für die Menschen, die nur wenig leisten können“. Und was die Asylbewerber angeht, so vermeidet er es, die Gesellschaft mit knallharten Forderungen zu konfrontieren. „Für eine erfolgreiche Integration ist es wichtig, dass Migranten und deren Kinder in die neue Gesellschaft gut aufgenommen werden“, schreibt er auf seiner Webseite und betont sofort, dass „auch von den Migranten der Wille dazu da“ sein müsse. Geprägt ist Bolayelas Sicht auch durch die Erfahrung, am Sielwall-Eck oder am Bahnhof mit den Afrikanern gleichgesetzt zu werden, die mit Drogen handeln. Und umso schärfer fällt die Abgrenzung aus: Er persönlich wäre dafür, diese Menschen härter zu bestrafen, sagt er.

Bolayela sieht sich nicht in erster Linie als einen Migrantenvertreter. Er will ein Politiker wie alle anderen sein – und räumt ein: „Ich habe kein festes Konzept, aber guten Willen.“ Und, dass er noch viel lernen müsse. Aber offenbar auch die bremische Zivilgesellschaft: „Es sollte in Zukunft normal sein, dass ein Schwarzer in der Bürgerschaft sitzt.“