: Gurken bleiben gefährlich
ERNÄHRUNG Erkrankungen durch verseuchtes Gemüse auch in Skandinavien und Tschechien. Infektionsquelle ist weiterhin unklar. Ärzte testen neue Behandlung
■ Mehrere deutsche Kliniken etwa in Hamburg und Hannover setzen im Kampf gegen besonders schwere Ehec-Verläufe jetzt auf das neue Mittel Eculizumab. Sie wollen mit einem Antikörper das lebensgefährliche hämolytisch-urämische Syndrom (HUS) stoppen, das nach einer Infektion mit dem Darmkeim auftreten kann. Die Mediziner hoffen, dass Eculizumab gegen das akute Nierenversagen bei HUS wirken könnte. Das Medikament war einem Bericht in einer medizinischen Fachzeitschrift zufolge auch zur Behandlung einer seltenen Blutkrankheit sowie einer seltenen angeborenen Form von HUS eingesetzt worden.
BERLIN dpa/rtr | Der gefährliche Darmkeim Ehec breitet sich in Europa aus. 120 aus Spanien kommende und möglicherweise verseuchte Biogurken wurden in Tschechien aus den Regalen der Lebensmittelläden genommen. Nach Angaben der tschechischen Landwirtschafts- und Lebensmittelaufsicht gingen Gurken aus derselben Lieferung der spanischen Betriebe, die über deutsche Großhändler bezogen wurde, auch nach Österreich, Ungarn und Luxemburg.
Österreich startete eine Rückrufaktion für die Gurken aus Spanien. Der Rückruf betreffe neben einer geringen Anzahl an Gurken auch Tomaten und Auberginen des spanischen Erzeugers Frunet, teilte die Österreichische Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit mit. Da nicht ausgeschlossen werden könne, dass das Gemüse zum Teil bereits verkauft worden sei, rate man Verbrauchern, es bei Verdacht wegzuwerfen. Hinweise auf Erkrankungen gab es in den betroffenen Ländern nicht.
In Schweden waren in den vergangenen zwei Wochen mehr als ein Dutzend Menschen nach einer Infektion mit dem Ehec-Erreger ins Krankenhaus eingeliefert worden. Sie alle waren zuvor in Deutschland. Auch in Dänemark wurde an acht Menschen eine Infektion diagnostiziert, die mit dem Ehec-Ausbruch zusammenhängen könnte.
Die Quelle des Erregers sei weiterhin nicht zweifelsfrei benannt, sagte Verbraucherministerin Ilse Aigner (CSU). Darum gelte die Warnung vor rohen Gurken, ungekochten Tomaten oder Blattsalaten weiter. Kritik von Bauernverbänden und Lebensmittelhändlern wies Aigner zurück: Der Schutz der Verbraucher habe immer Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.
Mit vier neuen Todesfällen in Norddeutschland stieg die Zahl der Opfer auf zehn – neun Frauen und ein Mann. In der Universitätsklinik Lübeck starb am Samstag eine 86-jährige Frau an den Folgen des durch Ehec verursachten hämolytisch-urämischen Syndroms (HUS), wie ein Kliniksprecher mitteilte. Der Ehemann wurde in demselben Krankenhaus wegen einer Ehec-Infektion behandelt.
Ebenfalls am Samstag starb eine 84-jährige Frau laut Kieler Gesundheitsministerium in einer Klinik im Kreis Herzogtum-Lauenburg. In der Nacht zum Samstag erlag eine 87-Jährige im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf laut einem Sprecher den Folgen einer Ehec-Infektion. Schon am Donnerstag war im städtischen Krankenhaus Kiel eine infizierte 38-jährige Frau gestorben, wie am Samstag bekannt wurde. Zuvor hatten nach Ehec-Infektionen bereits fünf Frauen aus Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bremen sowie ein Mann aus Hamburg ihr Leben verloren.
Hamburger Ärzte behandeln Ehec-Infizierte inzwischen mit einem speziellen Medikament, das gegen akutes Nierenversagen wirken soll. Im Uniklinikum Eppendorf sollten es sechs Erwachsene bekommen, „die schwerst an HUS erkrankt sind“, sagte der Nierenspezialist Rolf Stahl dem Hamburger Abendblatt. Bei dem Mittel handele es sich um einen Antikörper, der gegen schwere Komplikationen bei Ehec-Infektionen wirken soll. Akutes Nierenversagen ist ein Hauptsymptom des HUS.
Ärzte und Wissenschaftler in Heidelberg, Montreal und Paris berichteten der Zeitung zufolge in der Online-Version des New England Journal of Medicine über die erfolgreiche Behandlung von drei Kleinkindern mit diesem Antikörper, der die Bezeichnung Eculizumab trägt. Die Kinder waren demnach im vergangenen Jahr nach einer Ehec-Infektion an HUS erkrankt. Dem Zeitungsbericht zufolge veröffentlichte die Fachzeitschrift den Artikel wegen der aktuellen Ehec-Infektionswelle vorzeitig und informierte die Nierenspezialisten in Deutschland.
Ob die Therapie mit Eculizumab wirkt, lässt sich Experten zufolge noch nicht beurteilen. Nach Angaben des Sprechers des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein, Oliver Grieve, hat es zwar erste Erfolge gegeben, aber „das Mittel als neues Wundermittel zu bezeichnen, weckt falsche Hoffnungen“. Noch sei unklar, ob die Verbesserungen bei manchen Patienten auf den Antikörper zurückzuführen seien, sagte Grieve am Sonntag.
Das Hamburger Hygiene-Institut hatte den Darmkeim am Donnerstag auf drei Salatgurken aus Spanien gefunden. Die EU-Kommission bestätigte am Samstag, dass zwei Erzeugerbetriebe von Salatgurken aus Málaga und Almería entgegen ersten Berichten nicht geschlossen wurden. Lediglich die Auslieferung von Teilen der Ernte wurde gestoppt. Erste Untersuchungsergebnisse sollen am Montag bekannt gegeben werden.