„Eine gewisse Poesie“

DDR-Langzeitprojekt im Dokumentarfilmsalon

■ 67 und 75, studierten Übersetzung für Englisch und Russisch, Germanistik und Filmkunst in Potsdam. Seit 1978 arbeiten sie am Golzow-Projekt, das mittlerweile der Progress Filmverleih betreut. Foto: Verleih

taz: Herr Junge, Frau Junge, wie kamen Sie darauf, 46 Jahre lang 18 Menschen aus Golzow in Brandenburg zu filmen?

Barbara Junge: Karl Grass, der damalige Mentor meines Mannes, wollte die neue Generation bis 2000 begleiten, weil er dachte, dann hat das kommunistische Jahrtausend angefangen. Weil er aber schon älter war, hat er die Idee an seinen jüngeren Assistenten vererbt. Es war auch ein Projekt zur Emanzipation des Dokumentarfilms.

War das denn nötig?

Winfried Junge: Zu der Zeit war die Dokumentation eine Mischform aus Schaustellung und Beobachtung. Das war keine Entdeckung, da hat sich dann ein Regisseur inszeniert. Ein Dokumentarfilm muss authentisch sein. Alles andere wäre sein Tod.

Konnten Sie immer authentisch sein?

Wir haben vor allem die Poesie der Betrachtung gesucht. Kinder werden größer und entdecken die Welt – dieses Ursprüngliche hat eine gewisse Poesie, die man später im Leben versiegen sieht.

Das Projekt sollte zum 50-jährigen DDR-Jubiläum fertig werden. Haben Sie mit einer bestimmten Perspektive gefilmt?

Barbara Junge: Da muss ich Sie leider enttäuschen. Es hat keinen interessiert, was oder wen wir filmen und fragen. Wir wussten, 1999 wird der Daumen entweder hochgehoben oder gesenkt, wir hatten absolute Freiheit.

Welchen Einfluss hatte das Ende des Defa-Studios?

Winfried Junge: Es schien erst so, als würde das Projekt wegbrechen. Aber die Sache hat auch im Westen interessiert. Wir sollten weitermachen mit denen, die sich neu orientieren mussten, und die Geschichte, die dann eine deutsche Geschichte war, weiterführen. Interview: VIP

Vorstellung mit Diskussion im Dokumentarfilmsalon auf St. Pauli, Brigittenstraße 5, 20 Uhr